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Édouard Lalo (1823 -1892) Konzert für Violoncello und Orchester d-moll

Edouard Lalo ist als Künstlerfigur nicht sonderlich bekannt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er ein wenig spektakuläres Leben führte, das bislang auch nicht umfassend aufgearbeitet wurde (es gibt keine Biographie über ihn). Von seinem eher schmalen Gesamtwerk kennt man vor allem die „Symphonie espagnole“, die eigentlich ein Violinkonzert ist. Daneben hat aber auch sein Cellokonzert die Konzertpodien erobert. Beiden Konzerten merkt man an, dass der Autor ein Streicher war. Lalo spielte zwar in erster Linie Geige, ein Instrument, für das er noch drei weitere Konzerte geschrieben hat. Er hat aber auch das Cellospiel gelernt. Daher rührt offensichtlich das Verständnis für die besonderen Ausdrucksmöglichkeiten dieses Instrumentes, dem er auch eine Sonate widmete und in seinen drei Klaviertrios eine dankbare Rolle zuwies. Dementsprechend finden sich im Cellokonzert all die Elemente, für welche das Violoncello in besonderem Maße prädestiniert ist – romantische Schwärmerei, leidenschaftliche Emphase, Pathos und große Geste. Darüber hinaus lotet Lalo auch die virtuosen Möglichkeiten aus, welche dem Instrument mit seinem großen Tonumfang zur Verfügung stehen. Der Solist hat über weite Strecken ein durch alle Lagen gehendes ausgreifendes Passagenwerk zu bewältigen. Bei aller Aktivität im „ewigen Schnee“ der hohen Lagen, deren Beherrschung ein Cellovirtuose vorweisen muss, bevorzugt Lalo aber, wie auch in seiner Cellosonate, die warmen und dunkleren Farben der tiefen Lagen, welche das eigentliche Charakteristikum des „Streicherbaritons“ sind.

Harmonisch und formal ist das Cellokonzert wie das Gesamtwerk Lalos an die Kompositionshaltung der deutschen Frühromantik insbesondere an Mendelssohn und Schumann angelehnt, eine musikalische Germanophilie, die ihm in Frankreich, das zu seiner Zeit in massiven Konflikten mit Deutschland stand, nicht nur Sympathien eingebracht hat (was aber nichts daran ändert, dass Lalo als ein Wegbereiter des spezifisch französischen Tonfalls in der Kunstmusik gilt, der auf den musikalischen Impressionismus hinausläuft). Lalo, der zeitlich eigentlich der progressiv ausgerichteten Spätromantik angehört, ist kein Komponist, der musikgeschichtliche Grenzen tangiert oder gar verrückt. Seine Sache ist nicht das Experiment oder die Provokation. Markenzeichen des Franzosen sind vielmehr Übersichtlichkeit in der Form und Noblesse im Ausdruck selbst dann, wenn es, wie im Cellokonzert, monumental und leidenschaftlich zugeht.

Das Cellokonzert ist nach klassischer Gepflogenheit in drei Sätze gegliedert, weist aber einige formale Eigenheiten auf. Nach einer langsamen Einleitung beginnt der erste Satz mit einem heroischen Thema, das nach Art eines Rezitativs von energischen Akkordschlägen des Orchesters begleitet wird. Ihm steht im weiteren Verlauf ein elegisches Thema gegenüber. Dieser Gegensatz wird nach allen Regeln der Sonatensatzkunst „durchgeführt“, wobei immer wieder das Einleitungsmotiv eingeflochten ist, das dem Stück die Einheit gibt. Der zweite Satz ist eine ungewöhnliche Kombination von langsamen Satz und Scherzo. Zwischen die lyrischen Teile sind Allegro-molto-Passagen mit spanischen Elementen eingeschoben, ein Tribut an die seinerzeit aufkommende Spanienexotik, die Lalo bereits mit seiner „Symphonie espangole“ bedient hatte, welche drei Jahre vor dem Cellokonzert entstand. Der dritte Satz beginnt wieder mit einer langsamen Einleitung, um in einen turbulenten Tanz nach Art eines Saltarello überzugehen, welcher dem Solisten, der im ganzen Werk ohnehin durchgehend beschäftigt ist, einiges an Fingerfertigkeit und Standfestigkeit abverlangt. Das Orchester ist nicht nur Stichwortgeber für die solistische Präsentation, sondern Mitgestalter des Geschehens im Sinne eines symphonischen Konzertes.

Die Uraufführung des Werkes fand am 9. Dezember 1877 im Pariser „Winterzirkus“ mit dem seinerzeit bekannten belgischen Cellisten Adolphe Fischer statt, der Lalo bei der Komposition des Werkes beraten hatte – ihm hat Lalo das Konzert auch gewidmet. Seitdem gehört es zu den Paradestücken der Cellisten, zu deren nicht eben opulenten Konzertrepertoire die bekannteren Komponisten eher wenig beigetragen haben.

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1919 Edward Elgar (1857-1934) Konzert für Violoncello und Orchester e-moll

Edward Elgars Cellokonzert teilt – zumindest in Deutschland – das Schicksal seines Schöpfers: es wird, nicht anders als der Meister selbst, von der Musikpublizistik äußerst stiefmütterlich behandelt. Der Self-made-Man gilt, wiewohl er die englische Kunstmusik nach einer Durststrecke von 200 Jahren wieder zurück auf die internationale Bühne brachte, offenbar als Figur einer randständigen Region der europäischen Kunstmusik, weswegen er in den gängigen Musikführern meist nur kursorisch abgehandelt wird. Sein Cellokonzert wird dabei sogar häufig überhaupt nicht erwähnt. In der Praxis erfreut sich das Werk hingegen erheblicher Beliebtheit. Wesentlich dazu beigetragen hat Elgars Landsmännin Jaqueline du Pré. Sie spielte das Stück im Alter von 17 Jahren erstmals bei ihrem spektakulären öffentlichen Debüt im Jahre 1962. In ihrer nur elf Jahre dauernden Weltkarriere, die durch die Erkrankung an Multipler Sklerose plötzlich abgebrochenen wurde, hat sie das Werk immer wieder aufgeführt und ihm dabei ihren persönlichen Stempel aufgedrückt. Legendär ist die Filmaufnahme aus dem Jahre 1967, die sie als entrückte, teilweise wie in Trance spielende zugleich aber äußerst präsente Interpretin des Werkes unter der Leitung ihres jungen Ehemannes Daniel Barenboim zeigt.

Das viersätzige Konzert hat in mancher Hinsicht einen problematischen Hintergrund. Man hat im Zusammenhang mit ihm immer wieder von herbstlicher Tönung und von einer Stimmung des Abschiednehmens und der Resignation gesprochen. Tatsächlich markiert das Werk einen Wendepunkt sowohl in Elgars Leben als auch in seiner künstlerischen Karriere. Es entstand unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg, einem Ereignis, in dem Elgar das Ende der Epoche des kunstbegeisterten imperialen Englands sah, dessen musikalischer Repräsentant er gewesen ist. Man hat daher die gedämpfte Stimmung des Konzertes als Ausdruck der Trauer über den Untergang einer Lebensform interpretiert.

Für Elgar selbst ging seinerzeit ebenfalls eine Epoche zu Ende. Bedingt durch die wirtschaftlichen Probleme, welche der Krieg nach sich zog, war auch er gezwungen, seinen Lebensstil ändern. Er konnte sich etwa das großzügige Landhaus Severn, welches er auf dem Höhepunkt seines Ruhmes erworben hatte, nicht länger leisten. Wenige Monate nach der Fertigstellung des Cellokonzertes starb auch noch seine über alles geliebte Frau Alice, die für den eher scheuen Komponisten, der angesichts seiner autodidaktischen Bildung immer wieder von Selbstzweifeln geplagt wurde, gerade auch in Hinblick auf seine schöpferische Tätigkeit die wichtigste Stütze war. Mit ihrem Tod verlor Elgar jegliche Motivation zur Komposition größerer Werke. Erst zehn Jahre später verspürte er wieder nachhaltigere schöpferische Impulse. Der inzwischen betagte Komponist begann auf Anregung von George Bernhard Shaw, mit dem er befreundet war, mit der Arbeit an einer dritten Symphonie und beschäftigte sich mit einer Oper. Die angefangenen Projekte wurden jedoch durch seinen Tod im Jahre 1934 unterbrochen. Das Cellokonzert ist daher das letzte bedeutende Werk aus der Feder des Komponisten geblieben.

Auch das Werk selbst hatte zunächst mit einigen Problemen zu kämpfen. Es fing damit an, dass die Vorbereitung der Uraufführung, die am 27. Oktober 1919 unter denkbar schlechten Vorzeichen stand. Die Präsentation erfolgte im Rahmen des Konzertes, mit dem das London Symphonie Orchestra die Saison eröffnete. Der Hauptteil sollte dabei von dessen neuen Dirigenten Albert Coates, das Cellokonzert von Elgar dirigiert werden. Da Coates einen guten Einstand haben wollte, nahm er die Probenzeit, die zur Verfügung stand, fast ganz für sich in Anspruch. Elgar konnte sein Werk am Tag vor der Uraufführung mit einem Orchester, dessen Dienstzeit bereits abgelaufen war und das dazu die Noten noch nicht gesehen hatte, nur hastig durchspielen. Auch die Zeit für die Einspielspielprobe am folgenden Tag überzog Coates mit ausgiebiger Arbeit am „Waldweben“ von Richard Wagner, einem Komponisten, dem Elgar im Übrigen sehr viel verdankte. Der Meister kam erst zum Zug, als die Probenzeit schon um eine halbe Stunde überschritten war. Nur die Rücksicht auf den seinen Freund Felix Salmond, der den Solopart spielte, hielt Elgar davon ab, der Forderung seiner Frau nachzugeben, die Aufführung abzusagen. Hinzu kam, dass die Londoner kurz nach dem Kriege Anderes im Sinn hatten, als auf ein neues Werk des patriotischen Autors von „Pomp and Circumstances“ zu warten, den sie kurz zuvor noch so hoch gefeiert hatten. Das Konzert war daher schlecht besucht. Der Kritiker des „Observer“ stellte denn auch nicht nur dies bedauernd fest, sondern vor allem, dass Coates Teil des Konzert zwar wunderbar gewesen sei, sich aber „bei Elgar ein so großartiges Orchester wohl noch nie so schlecht dargestellt habe.“ Die Reaktion auf das Konzert war insgesamt eher zurückhaltend.

Nichtsdestoweniger hat das Werk die Musikpodien der Welt erobert. Viele räumen ihm nach dem Konzert von Dvorak den zweiten Platz auf der Rangliste der Werke ein, welche die Ausdrucksmöglichkeiten des Violoncellos auszuschöpfen wissen. Tatsächlich ist ja auch kein anderes Instrument so sehr dazu geeignet, die elegische Stimmung zum  Ausdruck zu bringen, welche in diesem Werk vorherrscht.

Weitere Texte zu Werken von Elgar und zahlreichen anderen Komponisten siehe Komponisten- und Werkeverzeichnis

1959 Dimitri Schostakowitsch (1906-1975) Cellokonzert Nr. 1

Die Art, wie die Künstler in den sozialistischen Ländern Osteuropas instrumentalisiert, gegängelt und gemaßregelt wurden, hat aus heutiger Sicht fast schon etwas Skurriles. Schon so kurz nach dem Abbau des eisernen Vorhangs erscheint es wie eine merkwürdige Geschichte aus fernen Zeiten, dass sich höchste politische Leitungsgremien einmal mit den intimsten Fragen der Kunstproduktion befasst haben und etwa Richtlinien über die innere Struktur von künftigen Kompositionen beschlossen oder mit staatlicher Autorität Beurteilungen über vorhandene Werke abgaben. Was uns heute seltsam unwirklich vorkommt, war für die Betroffenen seinerzeit allerdings höchst real. Die vorhandene oder fehlende Übereinstimmung mit den Vorstellungen der „zuständigen“ Gremien oder der Personen, die sie beherrschten, war für ihr künstlerisches und damit ihr persönliches, nicht selten sogar für ihr physisches Schicksal außerordentlich wichtig. Da man Kunstwerke sehr unterschiedlich verstehen kann und sich im Übrigen eine „zutreffende“ Sicht derselben oft erst nach einiger Zeit einstellt, bedeutete dies insbesondere für Künstler mit starkem Eigenprofil große Unsicherheit und verlangte entsprechende Anpassungskünste. Aber auch die Kulturbürokraten bedurften einiges an Flexibilität.

Schostakowitschs erstes Cellokonzert entstand in einer Phase, in der die sozialistische Kulturbürokratie wieder einmal die Zügel lockerte, mit denen sie zuvor glaubte, gerade auch diesen Großmeister an die Kandare nehmen zu sollen. 1958, zwei Jahre nach dem 20. Parteitag, auf dem Chruschtschow mit dem Personenkult Stalins abrechnete, kam ein Parteibeschluss heraus, der sich mit der „Berichtigung der Fehler in der Beurteilung“ einiger Musikwerke befasste. Darin wurde, wie konnte es anders sein, eingeräumt, dass man die Werke einiger begabter Komponisten, darunter Schostakowitsch, die teilweise „unrichtige Tendenzen“ aufwiesen, in einem Parteibeschluss von 1948 unter dem Einfluss des Stalin`schen Personenkultes zu pauschal als volksfremd und formalistisch abqualifiziert habe. Als Schostakowitsch davon in der Zeitung las, rief er seinen ehemaligen Schüler und späteren Freund Mstislav Rostropowitsch und dessen Frau Galina Wischneskaja an und bat sie, sofort zu ihm in seine Wohnung zu kommen. Wie Wischneskaja berichtet, fanden sie Schostakowitsch in heller Aufregung vor. Er habe Wodka in Wassergläsern serviert und ausgerufen: „“Kommen Sie, wir trinken auf das große historische Dekret ‚Zur Aufhebung des Großen Historischen Dekrets’!“ Es sei das erste Mal gewesen, dass Schostakowitsch, der sich politisch ansonsten bedeckt hielt, ihnen den Blick auf den brodelnden Vulkan freigegeben habe, der sich in seiner Seele befand.

Die Anerkennung, die Schostakowitsch in dieser Zeit durch das Dekret aber auch durch zahlreiche Auszeichnungen im In- und Ausland erfuhr, dürfte ein wesentlicher Grund dafür gewesen sein, dass er sich aus einer lange schwelenden Schaffenskrise befreien konnte. Im Jahr 1959 komponierte er gleich mehrere bedeutende Werke. Das erste davon war ein Cellokonzert, das er in Zusammenarbeit mit Rostropowitsch schuf. Schostakowitsch wagt in diesem mitunter bizarrem Werk unter teilweisem Rückgriff auf seine modernistische Phase der 30- er Jahre, die ihm schweren Tadel von Seiten Stalins eingebracht hatte, wieder einige formale und harmonische Experimente.

Im ersten marschartigen Satz wird ein kurzes Motiv so insitierend wiederholt, dass man meinen könnte, Schostakowitsch habe damit die Exzesse sozialistischer Propaganda ad absurdum führen wollen.Es folgt ein langsamer Satz, der sich schon durch seine Länge als das Zentrum des Werkes erweist. Er beginnt mit weit ausgreifenden, lamentös-resignativen Kantilenen im Sarabandenstil, steigert sich zu einer Leidenschaftlichkeit, die den Vulkan in Schostakowitschs Seele erahnen lässt, um in einem „himmlischen“ Nachspiel zwischen Celesta und Cello in den höchsten (Flageolett)Tönen zu enden. Die anschließende ausgedehnte Kadenz bildet einen eigenen Satz. Im fulminanten Schlusssatz finden sich Passagen voller Hohn und Spott (über die Kulturbürokratie?), bevor das Ganze wieder im Marschthema des ersten Satzes endet. Ähnlich wie in seinem 1. Klavierkonzert, das 1933, drei Jahre vor Stalins Intervention gegen ihn entstand, ist dem Soloinstrument bei ansonsten reiner Streicher- und Holzbläserbesetzung ein konzertierendes Blechblasintrument, hier ein Horn, gegenübergestellt. Nicht zu übersehen ist im übrigen die mitwirkende Hand des Cellovirtuosen Rostropowitsch, der dafür gesorgt hat, dass er seine Fähigkeit zu den erstaunlichsten Kunstgriffen unter Beweis stellen konnte.

Das Konzert wurde am 4. Oktober 1959 in Leningrad durch Rostropowitsch uraufgeführt. Noch im gleichen Monat wurde es als ein Beispiel für fortschrittliche Kunstpflege im Sozialismus in den USA präsentiert, wo sich Schostakowitsch im Rahmen einer offiziellen sowjetischen Musikerdelegation unmittelbar nach dem ersten Besuch Chruschtschows in Amerika aufhielt. Das Werk wurde damit zu einem Teil des eng geknüpften Netzes der sowjetischen Politik, in dem sich Schostakowitsch immer wieder verfangen musste, nicht zuletzt weil er sich – anders als Rostropowitsch – nie dazu entschließen konnte, sein Heimatland zu verlassen.

1895 Antonin Dvorak (1841-1904) Konzert für Violoncello und Orchester

Im Gegensatz zu den meisten anderen großen Komponisten der klassisch-romantischen Periode erkannte Dvorak die großartigen Möglichkeiten, die das Cello als Konzertinstrument besitzt. Bereits eines seiner ersten größeren Werke ist ein – unbekannt gebliebenes – Werk für dieses kraftvolle Instrument. Dreißig Jahre später, gegen Ende seines kompositorischen Schaffens, sollte er auf dem Höhepunkt seiner Meisterschaft das Cellokonzert überhaupt schreiben. Dvoraks Förderer Brahms, der es “nur” zu einem Doppelkonzert für Violine und Cello brachte, sagte darüber kurz vor seinem Tod bedauernd, hätte er gewußt, daß man solche Musik für dieses Instrument schreiben könne, hätte er auch ein Cellokonzert geschrieben. 

Das Werk, das weitgehend symphonisch aufgefaßt ist, ist die letzte Frucht von Dvoraks Aufenthalt in Amerika, in dem auch sein zweiter “Welthit”, die “Symphonie aus der Neuen Welt” und das unter Liebhabern der Kammermusik nicht minder populäre “Amerikanische Streichquartett” (mit diversen Lieblingsstellen der Cellisten) entstanden. Dvorak hatte seine geliebte böhmische Heimat im Jahre 1892 verlassen, um die Leitung des New Yorker Konservatoriums zu übernehmen. Angezogen hatte den Komponisten, der am Anfang seiner Karriere einige Hungerjahre durchleben mußte und daher ziemlich geldbewußt war, nicht zuletzt ein Gehaltsangebot aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das – ähnlich den heutigen Gegebenheiten – alle Maßstäbe des alten Kontinentes sprengte. Sein Honorar für acht Monate Tätigkeit pro Jahr in New York sollte nicht weniger als das 25-fache des Jahresgehaltes betragen, das er als Kompositionsprofessor am Prager Konservatorium erhielt.  

Nach vier Jahren in Amerika zog es Dvorak aber mit aller Macht zurück in die Heimat. In der schönen neuen Welt hatte es nicht nur immer wieder Probleme mit dem Geld gegeben, weil die Geschäfte des New Yorkers Handelsmagnaten Thurber, der das Konservatorium weitgehend finanzierte, in der Wirtschaftskrise Anfang der 90-er Jahre schlecht gingen. Dvorak vermißte auch seine Freunde und seine Familie, allen voran seine Kinder, die in Böhmen zurückbleiben mußten. Vom Heimaturlaub im Jahre 1895 kehrte er vertragswidrig nicht nach Amerika zurück.  

Dass Dvorak während der letzten Monate seines Aufenthaltes in Amerika in Gedanken bereits wieder zu Hause weilte, zeigt sich nicht zuletzt im Cellokonzert. Anders als in den sonstigen Werke, die in der New Yorker Zeit entstanden, verzichtet er hier nicht nur weitgehend auf amerikanische Elemente. Nachdem in den vorangegangenen Jahren hauptsächlich “Weltmusik” entstanden war, ist das Cellokonzert wieder ganz von böhmisch- romantischem Geist getränkt.  

Hinzu kommt eine rührende familiäre Anspielung, die Dvorak außerordentlich wichtig war. Während der Komposition des gefühlsbetonten zweiten Satzes erfuhr Dvorak, daß seine geliebte Schwägerin, die Gräfin Josefine Kaunic, schwer krank daniederlag. Ähnlich wie Bruckner 12 Jahre vorher die Nachricht vom Todes Richard Wagners in der Coda des langsamen Satz seiner siebten Symphonie verarbeitete, erinnert Dvorak im langsamen Satz des Cellokonzertes auf dezente Weise an seine Schwägerin. Zu Josefine Kaunic hatte Dvorak eine besondere Beziehung. Der Schwester seiner späteren Frau hatte er schon in den 60-er Jahren, der Zeit, in der das erste Cellokonzert entstand, eine – unerwiderte – Liebe entgegengebracht. Josefine war damals Schauspielerin am neu gegründeten Prager Interimstheater, der ersten national- tschechischen Bühne, in dessen Orchester der junge Dvorak die Bratsche spielte. 

Im langsamen Satz des zweiten Cellokonzertes zitiert Dvorak nun – in eine andere Tonart versetzt – aus Josefines Lieblingslied “Laß mich in Ruhe” (Op. 81). Kurz nach seiner Rückkunft aus Amerika, wo er die Komposition des Konzertes eigentlich schon abgeschlossen hatte, änderte er den Schluß des Werkes noch einmal, indem er das Liedzitat hier erneut, diesmal in der Originaltonart einarbeitete. Außerdem ließ er das Cellosolo nun entgegen aller Finalsatz-Tradition auf gänzlich unspektakuläre Weise in wehmutsvoller Stille verklingen.  

Der Grund hierfür ist ohne Zweifel darin zu suchen, daß Josefine wenige Wochen zuvor verstorben war. Dies erweisen nicht nur Einzelheiten der Komposition, etwa die schweren in dumpfen Baßpizzicati endenden „Herztöne“ der Schlußpartie des Cellosolos, deren letzter aus der gerade geltenden Tonart heraus wie in das Nichts fällt, eine Stelle, die in der Partitur mit „morendo“ bezeichnet ist und der ein großes Lamento des Cellos auf einem Ton folgt. Es zeigt dies auch die Vehemenz, mit der sich Dvorak gegen eine Veränderung eben dieses Schlusses durch den bekannten tschechischen Cellisten Hanus Wihan wehrte. Wihan, dem das Werk gewidmet ist und der darin eine fulminante Kadenz vermißte, hatte selbst eine Kadenz für den Schluß des Werkes komponiert. Gegenüber seinem Verleger Simrock, der sie in der Erstausgabe drucken wollte, schrieb Dvorak am 3. Oktober 1895, er werde ihm das Werk nur überlassen, wenn er sich dafür verbürge, daß “niemand, auch nicht mein verehrter Freund Wihan, ohne mein Wissen und Erlaubnis Änderungen vornehmen werde – also auch keine Kadenz einfüge, die Wihan im letzten Satz gemacht hat. … Das Finale schließt allmählich diminuendo wie ein Hauch – mit Reminiszensen an den ersten und zweiten Satz, das Solo klingt bis zum pp aus – dann ein Anschwellen – und die letzten Takte übernimmt das Orchester und schließt in stürmischen Ton. Das war meine Idee und davon kann ich nicht ablassen“.

1850 Robert Schumann (1810-1856) – Cellokonzert a-moll, Op. 129

Anfang September 1850 verließ Schumann das ungeliebte Dresden und zog nach Düsseldorf, wo er die Dirigentenstelle des „Allgemeinen Musikvereines“, eines im Wesentlichen aus Laien bestehenden Orchesters übernommen hatte. Noch ganz in der Hochstimmung, die ein freundlicher Empfang in Düsseldorf und die Aussicht auf eine befriedigende berufliche Tätigkeit ausgelöst hatten, komponierte er in wenigen Tagen (10. bis 16. Oktober) sein Cellokonzert. Das Werk, das tatsächlich wie aus einem Guss erscheint, ist eines der wenigen großen Konzerte für dieses sympathische Instrument. Dessen Möglichkeiten hatten die großen Klassiker mit Ausnahme von Haydn und Boccherini erheblich unterschätzt und es darum eher stiefmütterlich behandelt. Schumanns Konzert aber leistet Wiedergutmachung. Das durchkomponierte "einsätzige" Werk ist gekennzeichnet durch zarte Lyrik und feurigen Schwung, vor allem aber durch jenen elegischen Ton, den das Cello wie kein anderes Instrument zum Ausdruck bringen kann. Das Orchester tritt, wiewohl mit wichtigen, gelegentlich an den off-beat des Jazz erinnernden Akzenten betraut, in diesem echten Virtuosenkonzert eher in den Hintergrund. Das Soloinstrument aber wird in höchst effektvoller Weise in Szene gesetzt, bis hin zu jenem fulminanten Schluss, der dem Solisten einen guten Abgang garantiert.

Schumann selbst hat das Werk nie gehört, erstaunlicherweise weil sich kein Cellist fand, der es spielen wollte. Die Uraufführung fand erst nach seinem Tode, nämlich im Jahre 1860 anlässlich des Gedenkens an seinen fünfzigsten Geburtstag im Leipziger Gewandhaus statt.

Schumann scheint Übrigens geahnt zu haben, dass sich die Cellisten möglicherweise zieren würden, das Konzert zu spielen. Jedenfalls hat er „zur Sicherheit“ noch eine Fassung für Violine gefertigt. Letztendlich haben sich aber doch die Cellisten des Werkes bemächtigt, zu deren Standardrepertoire es seit Langem gehört.