Archiv der Kategorie: Messe

Ignaz Holzbauer (1711 – 1783) Missa in C für Soli, Chor und Orchester

Holzbauer war einer der führenden Vertreter der Mannheimer Schule, die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts die Entwicklung der mitteleuropäischen Orchestermusik entscheidend prägte. Geboren und aufgewachsen in Wien hielt er sich in seiner Frühzeit längere Zeit in Italien auf, was prägenden Einfluss auf seine Musiksprache hatte, der man nachsagte, sie weise eine glückliche Mischung aus italienischer Sinnlichkeit und deutschem Ernst auf. Im Jahre 1750 kam Holzbauer nach Süddeutschland, zunächst nach Stuttgart, wo er aber nicht recht glücklich wurde, und 1752 nach Mannheim. Dort verbrachte er hoch geachtet und erfolgreich die restlichen fast drei Jahrzehnte seines Lebens als Leiter des dortigen Orchesters, das in seiner Zeit europäische Berühmtheit erlangte. Unter Holzbauers Leitung erreichte der spezifische Mannheimer Stil seinen Höhepunkt, zu dem eine ausgeprägte Kontrastdynamik, eine starke Betonung des Crescendos und des Diminuendos sowie eine Reihe besonderer Effekte, die sog. Mannheimer Mannieren, gehörten. Wie eine Reihe weiterer  Mitglieder des Mannheimer Orchesters, darunter Johann Stamitz, Christian Cannabich, Georg Josef Vogler und Franz Xaver Richter, war auch Holzbauer ein fruchtbarer Komponist. Er schrieb zahlreiche Werke für alle Gattungen. Bei den Symphonien dürfte er mit über 200 Werken sogar den weltweiten Spitzenplatz einnehmen. Mozart, der Holzbauer bei seinem Aufenthalt in Mannheim im Jahre 1777 kennenlernte, schrieb darüber an seinen Vater: „Die Musick von Holzbauer ist sehr schön. […] am meisten wundert mich, daß ein so alter Mann wie holzbauer, noch so viell geist hat; denn das ist nicht zu glauben was in der Musick für feüer ist.“ Recht umfangreich ist auch Holzbauers kirchenmusikalisches Oeuvre, zu dem allein 26 Messen gehören. Dazu sagte Mozart:  „Er schreibts sehr gut. einen guten kirchen-styl, einen guten saz der vocal-stimmen und instrumenten; und gute fugen“. All dies findet sich in der Missa in C, die um 1770 entstand, und von der gesagt wurde, sie sei „eine der bedeutendsten Messkompositionen der Vorklassik und zugleich eines der frühesten Zeugnisse des ‚Mannheimer’ symphonischen Kirchenstils.“

 

Josef Haydn (1732 – 1809) – Harmoniemesse für Soli, Chor und Orchester

Im Jahre 1790 starb Haydns langjähriger Arbeitgeber Fürst Nikolaus I. von Esterházy, ein wahrer Kenner und Liebhaber der Musik. Sein Nachfolger war an dieser Kunst nicht interessiert und löste die Hofmusik, die in seinem Hause unter Haydn eine so außerordentliche Blüte erlebt hatte, auf.  Diese Gelegenheit ließ sich der Londoner Musikunternehmer Solomon nicht entgehen und holte Haydn nach England. Bei seinen zwei Besuchen auf der Insel in den Jahren 1791-92 und 1794-95 feierte der inzwischen europaweit berühmte Komponist insbesondere mit zwölf neuen, eigens für London geschriebenen  Symphonien große Erfolge und verdiente vor allem gutes Geld. Davon konnte er sich im Jahre 1793 ein eigenes Haus in der Wiener Vorstadt Windmühle kaufen. Nach Umbauten bezog er das kleine Anwesen im Jahre 1797 und verbrachte dort seine zwölf letzten Lebensjahre. In diesem Haus, das heute noch mehr oder weniger unverändert steht und in dem mittlerweile ein Haydn-Museum eingerichtet ist, entstand das Spätwerk des Komponisten, dessen Schwerpunkt bei Vokalwerken liegt. Haydn erklomm damit noch einmal einen neuen Gipfel seiner Kompositionskunst. Neben den beiden großen Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die vier Jahreszeiten“, die Haydn für den freien Markt schrieb, gehören hierzu vor allem sechs groß angelegte Messen, welche er noch einmal für das Haus Esterházy komponierte. Im Jahre 1794 war nämlich mit Nikolaus II. wieder ein Mann an die Spitze des Fürstengeschlechtes gelangt, der den Glanz, den Haydns Wirken auf sein Haus geworfen hatte, zu schätzen wusste. Er hatte den alternden Komponisten daher erneut unter Vertrag genommen. Während man von Haydn in seinem früheren Beschäftigungsverhältnis immer wieder neue Werke erwartete, was wesentlich zum Entstehen seines riesigen Oeuvres beitrug, beschränkte sich seine Verpflichtung nun aber darauf, für die jährlichen Festlichkeiten anlässlich des Namenstages der Fürstin Hermengild, der Frau Nikolaus II., jeweils eine  festliche Messe zu schreiben.

Lange konnte Haydn die neue kompositorische Freiheit allerdings nicht genießen. Ab dem Jahre 1800 plagten ihn immer stärker gesundheitliche Probleme. Wiewohl, wie er bemerkte, „der Strom an frischen  der musikalischen Ideen, die auf Ausarbeitung warteten, nicht aufhört“, stellte er seine kompositorische Tätigkeit nach 1802 im Wesentlichen ein. Das letzte Werk, das er noch vollendete war die Harmoniemesse. Auch die Arbeit hieran fiel ihm schon schwer, weshalb entgegen seiner Gewohnheit, die Messen wenige Monate vor dem Aufführungstermin (8. September) auszuarbeiten, bereits im Januar damit begann. Am 14. Juni 1802 schrieb er an Fürst Nikolaus: „…indessen bin ich an der Neuen Messe  sehr mühsam“ fleissig, noch mehr aber forchtsam, ob ich noch einigen beyfall werde erhalten können.“ Haydn Befürchtungen waren aber unbegründet. Die Messe, die in vieler Hinsicht auf frühere Werke Bezug nimmt, ist in gewohnt meisterlicher Manier gelungen. Haydn feierte damit auch einen weiteren großen Erfolg. Am Tag nach der Uraufführung in der Bergkirche von Eisenstadt, die Haydn selbst leitete, wurden bei einem Konzert noch einmal die „schönsten“ Stellen aus der Messe gespielt.

Besonderes Merkmal der späten Messen Haydns ist die Verselbständigung des Orchesters. Anders als in seinen acht frühen Messen, die zwischen 1749 und 1784 entstanden, hat Haydn hier dem Orchester und insbesondere den Bläsern im musikalischen Geschehen eine weitgehend eigenständige Rolle zugeteilt. In besonderem Maße ist dies in der Harmoniemesse der Fall, in der wie in Haydns Londoner Symphonien, einen voller Bläsersatz verwendet wird. Da dieser Bläsersatz auch als „Harmonie“ bezeichnet, wird hat man dieser Messe im späten 19. Jahrhundert den Namen „Harmoniemesse“ gegeben.

1815 Franz Schubert (1797 – 1828) Messe in G-Dur

Franz Schuberts wuchs in einem Umfeld auf, in dem die Kirchenmusik eine wichtige Rolle spielte. Als Knabe sang er im Kirchenchor seiner Heimatgemeinde Liechtental bei Wien, deren Kapellmeister, sieht man einmal von Schuberts Vater ab, auch sein erster Lehrer war. In Alter von elf Jahren wurde Schubert wegen seiner schönen Stimme als Sängerknabe in die Wiener Hofkapelle aufgenommen. Als solcher hatte er sich regelmäßig an der musikalischen Gestaltung des Gottesdienstes zu beteiligen. Nicht nur die feierlichen kirchlichen Ereignisse, an denen er mitwirkte, sondern auch die bedeutenden sakralen Werke, welche er dabei kennen lernte, haben auf ihn einen tiefen Eindruck gemacht. „Was anderen eine Last war“, so berichtete seine Schulkamerad und lebenslanger Freund Josef v. Spaun, „nämlich der kirchliche Dienst, war dem jungen Schubert Genuß.“ Auf diese Weise hat Schubert seine kirchenmusikalische Bildung im Wesentlichen in der Aufführungspraxis gewonnen. Bei dieser Prägung ist es kein Wunder, dass sich Schubert, als sich in ihm verstärkt der schöpferische Trieb regte, auch der Kirchenmusik zuwandte. Seine erste Messe schrieb er im Jahre 1814 für seine Heimatgemeinde. Eine zweite, die Messe in G-Dur, folgte ein Jahr später, vermutlich ebenfalls für die Gemeinde Liechtental. Neben anderen sakralen Werken sollten im Laufe seines Lebens noch fünf  weitere Messen folgen.

Bei allen Messen Schuberts fällt auf, dass sie zum Teil erhebliche Abweichungen vom offiziellen katholischen Messtext aufweisen. Über den Grund dieser Abweichungen – meist handelt es sich um Auslassungen – ist viel spekuliert worden. Ein Teil mag auf Versehen oder unvollständige Vorlagen zurückzuführen sein – der Vergleich mit anderen Messen der Zeit zeigt, dass man damals mit dem Messtext relativ frei umging. Einige Änderungen sind aber offensichtlich in kritischer Absicht erfolgt. Dies gilt insbesondere für die Stelle des Credos, an der Glaube an die Kirche bekannt wird. Die Passage „et in unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam“ hat Schubert in allen Messen weggelassen. Hier kommt eine deutlich antiklerikale Einstellung zum Ausdruck, die als Nachwirkung der Aufklärung durchaus zeittypisch ist . Davon war bei aller Milieugebundenheit und Religiosität im Allgemeinen offensichtlich auch schon der adoleszente Schubert erfasst.

Die Messe in G-Dur ist eine sog. Missa brevis, das heißt ein kurzes, für den regulären sonntäglichen Gebrauch verfasstes Werk. Ursprünglich war sie nur für Soli, Chor und Streicher geschrieben. Noch zu Lebzeiten Schuberts hat sein Bruder Ferdinand dem Werk noch Trompeten und Pauken hinzugefügt. Fast 20 Jahre nach Schuberts Tod  hat Ferdinand dann eine Fassung mit Holzbläsern erstellt, ohne jedoch den musikalischen Gehalt des Werkes zu verändern.

Die Messe ist die Komposition eines 18-jährigen, der schon zum Meister gereift ist. Das zeigt sich nicht zuletzt an der kurzen Entstehungszeit. Nach einem Vermerk auf der Partitur hat Schubert sie in sechs Tagen, nämlich in der Zeit vom 2. bis 7. März 1815 geschrieben. Wiewohl in der Grundhaltung unprätentiös, ist sie doch recht kunstvoll gearbeitet. Die formale Einheit wird etwa durch eine aufsteigende Tonfolge hergestellt, die alle Sätze durchzieht. Das Werk ist erst spät bekannt geworden, ist aber inzwischen wegen seines kantablen Charakters eines der beliebtesten kirchenmusikalischen Stücke Schuberts. Unverkennbar zeigt sich hier der aufkommende Liederkomponist. Im Jahre der Entstehung der Messe hat Schubert u.a. rund 150 Lieder komponiert.