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Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 – 1847) – Ouvertüre zum Singspiel „Die Heimkehr aus der Fremde“

Mendelssohn hat in Anfangszeit seiner kompositorischen Aktivität, die im Alter von zehn Jahren mit großer Vehemenz begann, beinahe jährlich ein musikdramatisches Werk verfasst. Nach vier Singspielen, die im Familienkreis aufgeführt wurden, trat er dann – sechszehnjährig – mit der zweiaktigen komischen Oper „Die Hochzeit des Camacho“ an die Öffentlichkeit. Die negativen Erfahrungen, die Mendelssohn hierbei machte, haben ihn aber veranlasst, sich von diesem Genre zurückzuziehen. Erst kurz vor seinem Tod hat er sich wieder mit einem Opernprojekt, „Loreley“, befasst, das jedoch unvollendet blieb. Aus gegebenem Anlass kehrte er zwischenzeitlich aber noch einmal zur Familientradition zurück und komponierte anlässlich der silbernen Hochzeit seiner Eltern die einaktige Operette „Die Heimkehr aus der Fremde“. Bei dem Werk, das im Sommer 1829 während einer Bildungsreise in England entstand, handelt sich um eine liebenswürdige Verwechslungskomödie ohne besondere dramaturgische Ambitionen, die in einem romantisch verklärten dörflichen Ambiente angesiedelt ist. Mendelssohn hat das Werk, das aus einer Reihe von musikalisch subtil übergeleiteten strophenförmigen Gesangstücken besteht, als Liederspiel bezeichnet. Bei aller fein ironisch gezeichneten Scheinnaivität hat Mendelssohn die Gelegenheit genutzt, die Palette seiner avancierten Ausdrucksmöglichkeiten zu demonstrieren. Der rustikale Song ist ebenso vertreten wie die sehnsuchtsvoll schmachtende Arie, das pastorale Idyll, das romantische Stimmungsbild und die dramatische Ensemblenummer. Man muss angesichts dieser Kabinettstücke bedauern, dass sich Mendelssohn nicht mehr mit dem Musikdrama beschäftigt hat. Besondere Sorgfalt hat Mendelssohn auf die Ouvertüre verwandt, was schon der Umstand zeigt, dass sie im Verhältnis zur Länge des Gesamtwerkes, das eine Stunde füllt, überproportional viel Raum einnimmt. Auch ihrer Struktur nach ist sie ein gut durchkomponiertes eigenständiges Orchesterstück, in dem alle Gruppen des vollständig besetzten Orchesters gut zu Wort kommen. Nicht zu Unrecht hat Mendelssohn dafür die Bezeichnung „Sinfonia“ gewählt. Die Ouvertüre wird denn auch gerne als eigenständiges Werk gespielt.

Das Gesamtwerk wurde Ende des Jahres 1829 im Gartensaal von Mendelssohns Berliner Elternhaus, in dem man regelmäßig Hauskonzerte veranstaltete, vor 120 geladenen Gästen wie in alten Zeiten von Mitgliedern der Familie aufgeführt. Die Partien hatte Mendelssohn den Beteiligten, deren Können sehr unterschiedlich ausgeprägt war, auf den Leib geschrieben. Sein unmusikalischer Schwager etwa hatte immer nur den gleichen Ton zu singen, den er, wie berichtet wird, trotz Hilfe aus dem Publikum dennoch meist verfehlte. Entgegen dem Wunsch seiner stolzen Mutter hat Mendelssohn das Werk wegen seines privaten Charakters nicht zur Veröffentlichung freigegeben. Es wurde erst zwei Jahre nach seinem Tod öffentlich aufgeführt und dem Werkverzeichnis posthum als Op. 89 hinzugefügt.

Die Nachwelt hat das Werk gänzlich aus seinem privaten Dasein herausgezogen. Bei der ersten Schallplattenaufnahme im Jahre 1977 etwa haben einige der größten Sängerkoryphäen der Zeit mitgewirkt: Hanna Schwarz, Helen Donath, Benno Kusche, Peter Schreier und Dietrich Fischer-Dieskau.

1836 Otto Nicolai (1810 – 1849) Ouvertüre über Luthers Choral „Eine feste Burg ist unser Gott“ für Chor und Orchester

Bei dem Preußen Otto Nicolai denkt man wie bei dem Franzosen Georges Bizet meist nur an ein Werk. Bei Nicolai ist es die Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“, bei Bizet die Oper „Carmen“. Beide Werke sind Meilensteine der Opernliteratur des 19. Jahrhunderts und haben den Namen ihrer Schöpfer in die ganze Welt getragen. Beide Komponisten verbindet darüber hinaus ein merkwürdig ähnliches Schicksal. Sie kämpften lange um Anerkennung und hatten sogar Schwierigkeiten, ihr Meisterwerk zur Aufführung zu bekommen. Als ihnen schließlich der Durchbruch gelang, konnten sie den Ruhm nicht mehr selbst erleben. Sie starben gegen Ende ihres vierten Lebensjahrzehntes jeweils zwei Monate nach der Uraufführung ihres Hauptwerkes.

Über Nicolais Hauptwerk ist weitgehend in Vergessenheit geraten, dass er, wie Bizet, auch noch einige andere interessante Werke hinterlassen hat. Bei ihm denkt man etwa kaum an Kirchenmusik. Dabei begann Nicolais musikalische Karriere als Organist der preußischen Gesandtschaftskapelle in Rom. In Italien befasste er sich intensiv mit der italienischen Sakralmusik insbesondere Palestrinas und mit der Lehre vom strengen Kontrapunkt des Padre Martini, der großen Einfluss auf die europäische Musikentwicklung hatte und schon den jungen Mozart unterrichtet hatte. Nicolais Ideal war allerdings die Verschmelzung von deutschen und italienischen Elementen, die er bei Mozart in exemplarischer Weise verwirklicht sah. „Deutsche Schule muß sein“ schrieb er einmal, „das ist die erste Bedingung, aber italienische Leichtigkeit muß dazukommen. So ist Mozart entstanden, und wenn ich seinen Geist hätte, so könnte ich auch was Gutes machen.“

 

 Als Resultat seiner kirchenmusikalischen und kontrapunktischen Studien entstand im Jahre 1836 in Italien die Ouvertüre über Luthers Choral „Eine feste Burg ist unser Gott.“ – „im Styl des 18. Jahrhunderts nach deutschen Studien“, wie Nicolai vermerkte. Tatsächlich steht darin das deutsche Element deutlich im Vordergrund. Nicolai wollte offensichtlich zeigen, dass er eine komplexe musikalische Konstruktion beherrscht und hat ein Stück nach allen Regeln deutscher Fugenkunst geschrieben, worunter allerdings die Leichtigkeit deutlich gelitten hat. Die Wahl des protestantischen Themas und die nicht eben sinnliche Faktur deuten wie auch die spätere Verwendung darauf hin, dass Nicolai mit dem Werk nach seinen italienischen Lehrjahren auf seine preußisch-protestantische Heimat zielte. Nachdem er das Stück in Wien, wo er nach seiner Zeit in Italien engagiert war, mehrfach aufgeführt und überarbeitet hatte, sandte er es 1843 als „Protestantische Kirchen Ouvertüre“ an König Friedrich Wilhelm IV. nach Berlin in der Hoffnung auf eine „angemessene Anstellung.“ Zunächst erhielt er dafür aber nur eine goldene Medaille für Kunst. Ein Jahr später machte er anlässlich der 300-Jahrfeier der Universität seiner Heimatstadt Königsberg einen zweiten Versuch mit einer Aufführung in Gegenwart des Königs. Hierfür ließ er einen goldverzierten Prachtband des Werkes erstellen, das inzwischen „Kirchliche Fest-Ouvertüre“ betitelt war. Dafür erhielt er aber auch nur eine goldene Dose und zwei Gedenkmünzen samt der Versicherung, dass sich der König darüber „sehr vorteilhaft geäußert“ habe. Die erstrebte Anstellung in Berlin bekam Nicolai erst im Jahre 1849, als er Wien verließ, weil  man dort seine „Lustigen Weiber“ nicht spielen wollte. In der preußischen Hauptstadt starb er noch im gleichen Jahr an einem Schlaganfall, wie gesagt kurz nach der Uraufführung seines Meisterwerkes.

1832 Fanny Hensel (1806-1847) Ouvertüre C-Dur

„Die verkannte Schwester“, „Wer war Fanny Hensel?“, oder „Mendelssohn Schwester“, lauten die Titel einiger der zahlreichen Bücher, die in den letzten Jahren über diese Musikerin erschienen sind. Das mehr oder weniger erklärte Ziel dieser Veröffentlichungen ist, Fanny Hensel aus dem Schatten ihres Bruders zu ziehen. Es geht aber auch darum zu zeigen, dass die Fähigkeit zum Komponieren keineswegs nur den männlichen Geschlecht gegeben, der tatsächliche Mangel an Komponistinnen vielmehr wesentlich eine Folge der gesellschaftlichen Umstände sei.

Fanny Hensel hatte, wie viele Zeitgenossen bezeugten, eine ähnliche Begabung wie  ihr 3 ½ Jahre jüngerer Bruder. Dies wurde von den Eltern auch nicht verkannt. Sie gaben ihr die gleiche Ausbildung und viele Möglichkeiten, sich musikalisch und gerade auch kompositorisch zur betätigen. Dazu gehörten insbesondere die sog. Sonntagsmusiken vor geladenen Gästen, die man zur Ermunterung der Kinder und zur Präsentation ihrer musikalischen Fähigkeiten ins Leben gerufen hatte. Allerdings hatten die Eltern schon bei Felix erhebliche Probleme mit der Vorstellung, dass er die Musik zum Gegenstand seines Berufes machen könnte. Die jüdische (Bankiers)Familie hatte alles getan, um in den gehobenen Kreisen der Berliner Gesellschaft Fuß zu fassen und dafür sogar den ererbten Glauben aufgegeben. In diesem Kreisen galt es als wenig schicklich, mit Musik Geld zu verdienen. Eine Musikerkarriere kam daher für Felix nur in Frage, nachdem man sich gründlich vergewissert hatten, dass er ganz oben mitspielen und die gesellschaftliche Höhe halten konnte, welche die Familie gerade erreicht hatte.

Für eine Frau kam eine solche Karriere aber noch weniger in Betracht. Vater Abraham schrieb daher seiner musikbegeisterten Tochter bereits als sie 15 Jahre alt war: „Die Musik wird für ihn (Felix) vielleicht Beruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass Deines Seins und Tun werden kann und soll.“ Felix teilte diese Auffassung, soweit es eine öffentliche Tätigkeit seiner Schwester betraf. Deswegen wandte er sich immer entschieden gegen eine Veröffentlichung von Fannys Werken. Einige ihrer Klavierstücke hat er unter seinem eigenen Namen drucken lassen, allerdings kaum, um sich ihre Leistung zu Eigen zu machen, sondern wohl um Fannys Werk wenigstens indirekt an die Öffentlichkeit zu bringen.

Fanny hat sich an die familiäre Vorgabe nur teilweise gehalten. Die Musik hatte für sie immer weit mehr als nur ornamentalen Charakter. Mit wenigen Ausnahmen ist sie damit aber tatsächlich nicht an die Öffentlichkeit getreten. Sie beschränkte ihre musikalische Aktivität vielmehr im Wesentlichen auf den häuslichen Kreis. Dazu gehörten allerdings auch die Sonntagsmusiken im großen Gartensaal des herrschaftlichen Anwesens der Familie, die in Berlin zu einer Institution wurden. Fanny hatte diese Musiken, die wegen des Wegzuges ihres Bruders aus Berlin eine Zeit lang eingestellt gewesen waren, im Jahre 1831 mit finanzieller Unterstützung ihres Vaters als eine eigene private Konzertreihe wieder begründet und bis zu ihrem Tode als Organisatorin und regelmäßige Dirigentin geleitet. In diesem Rahmen kamen auch Werke aus ihrer Feder zur Aufführung. Dem Charakter dieser salonartigen Veranstaltungen entsprechend handelt es sich bei ihren Kompositionen im Wesentlichen um „Hausmusik“, Lieder vor allem, Klavierstücke und sonstige Kammermusik.

Ausnahmen von der intimen Form sind einige Chorwerke mit Orchesterbegleitung und insbesondere die Ouvertüre in C-Dur, ihr einziges reines Orchesterwerk. Fanny schrieb dieses Stück, das ersichtlich von Felix Mendelssohns Konzertouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt“ inspiriert ist, im Jahre 1832 vermutlich in Hinblick auf den Neubeginn der Sonntagskonzerte. Offensichlich ging es ihr mit dem schwungvollen und konsequent gearbeiteten Werk  in erster Linie darum, gute Laune zu erzeugen. Man kann es daher, ganz ohne Abwertung, als ein Salonstück bezeichnen.

Die Ouvertüre kam erstmalst im Jahre 1834 bei einer Sonntagsmusik mit dem Königsstädter Orchester unter dem Dirigenten Lecerf zur Aufführung. Darüber berichtete Fanny in einem Brief an Felix vom 4. Juni 1834, der auch zeigt, welche Probleme Fanny zunächst auch mit ihrer Rolle als Dirigentin hatte. Zum Verständnis dieses Briefes ist vorauszuschicken, dass seinerzeit im Wesentlichen vom Klavier und/oder mit einem eher groben Stock dirigiert wurde  und dass  Felix Mendelssohn kurz zuvor als einer der ersten damit begonnen hatte, einen Taktstock im heutigen Sinne zu benutzen.  Fanny schreibt zunächst, dass Lecerf sich am Anfang des Konzertes „die Finger zerklopft“ habe, weswegen sie ihm Felix` leichtes Dirigierstäbchen übergeben habe. „Nachher“, fährt sie fort, „ließ ich meine Ouvertüre spielen und stellte mich dabei an das Klavier und da flüsterte mir der Teufel in Lecerfs Gestalt zu, das Stöckchen in die Hand zu nehmen. Hätte ich mich nicht so entsetzlich geschämt, und bei jedem Schlag geniert, so hätte ich ganz ordentlich damit dirigieren können.“ Im Übrigen war sie aber mit ihrem Werk zufrieden. „Es amüsierte mich sehr“, fährt sie fort, „das Stück nach  2 Jahren zum ersten Mal zu hören und ziemlich alles so zu finden, wie ich es mir gedacht hatte.“

Weitere Texte zu Werken von rd. 70 Komponisten siehe Komponisten- und Werkeverzeichnis

1869 Peter I. Tschaikowski (1840 – 1893) Phantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“

 

Die Phantasie-Ouvertüre Romeo und Julia ist nicht nur wegen der Passagen, in denen man die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Capulets und den Montagues in den Straßen Veronas zu hören meint, eine Kampfkomposition. Tschaikowski ergriff damit auch auf subtile Weise Partei im innerrussischen Kulturkampf zwischen Slawophilen und Westlern.

 

Das Werk entstand im Jahre 1869 auf Anregung der Gründers der letzten nationale Schule der europäischen Musik, Mili Balakirew. Dieser hatte um sich national gesinnte Komponisten wie Cui, Rimski-Korsakow, Mussorkski und Borodin versammelt. Die Gruppe, zu der später unter anderem noch Liadow und Glasunow stießen, hatte sich in der Nachfolge Glinkas die Wiederbelebung und Pflege der russischen Musikfolklore, nicht zuletzt ihres orientalischen Elementes zum Ziel gesetzt. Von den „Westlern“ wurde sie als „Mächtiges Häuflein“ verspottet, eine Bezeichnung, die später zu ihrem Markenzeichen werden sollte.

 

Als der streitbare Balakirew 1869 auf Weisung der westlich orientierten Großfürstin Helena Pavlovna aus der „Russischen Musikgesellschaft“ ausgeschlossen wurde, schlug sich Tschaikowski, wiewohl eher den „Westlern“ zugeneigt, auf die Seite des „Mächtigen Häufleins“. In seiner Eigenschaft als Kritiker der „Moskauer Nachrichten“ unterstützte er Balakirew mit dem Wort. Er schritt auch aber zur musikalischen Tat, indem er „Romeo und Julia“ schrieb und das Werk Balakirew widmete.

 

„Romeo und Julia“ gilt als das erste Meisterwerk des knapp 30-jährigen Komponisten. Trotz des programmatischen Titels handelt es sich allerdings nicht um Programm-Musik im engeren Sinne. Vom Programm bestimmt sind die Themen, das choralhaft-feierliche „Motiv des Pater Lorenz“ in der Einleitung, das anschließende kämpferische „Mordmotiv “ und das lyrische „Liebesthema“. Die Verarbeitung der Themen erfolgte aber nach rein musikalischen Gesetzen, nämlich nach den Prinzipien der klassischen Ouvertüre. Es wird keine Geschichte erzählt, sondern ein seelisches Drama dargestellt.

 

Der Umstand, dass Tschaikowski der naheliegenden Versuchung widerstand, „Romeo und Julia“ als Programm-Musik zu schreiben, ist deswegen interessant, weil Balakirew, nicht zuletzt wegen seiner nationalen Ausrichtung, ein überzeugter „Programmatiker“ war. Tschaikowski aber setzte, bei aller Parteinahme für Balakirew, seine eigenen Musikvorstellungen durch, die der absoluten Musik zuneigten. Jahre später klärte Tschaikowski Balakirew über sein Verhältnis zur Programm-Musik auf. 1885 hatte er – ebenfalls auf Anregung Balakirews – die „Manfred-Symphonie“ nach Byrons gleichnamiger Gedichterzählung geschrieben. Balakirew hatte dafür, als habe er eine erneutes „Ausbüchsen“ Tschaikowskis in die absolute Musik verhindern wollen, ein genaues Programm aufgestellt (das er übrigens schon 1869, im Jahre der Entstehung von „Romeo und Julia“, erfolglos dem ausgewiesen „Programmatiker“ Berlioz angedient hatte, der seinerzeit Moskau besuchte). In einem Brief vom 22.9.1885 schrieb Tschaikowski hierzu: „Ich fühle mich in der Sphäre der programmfreien Symphonie viel ungebundener, und die Komposition irgendeiner Suite fällt mir hundertmal leichter als irgendein Werk der Programm-Musik. An den „Manfred“ bin ich sehr ungern gegangen und habe ihn – offen gesagt – eigentlich deshalb geschrieben, weil ich es Ihnen versprochen hatte.“

 

Die erste Aufführung von „Romeo und Julia“ im März 1870 in Moskau war für den noch wenig bekannten Komponisten nicht eben vielversprechend. Tschaikowski selbst schrieb darüber lakonisch an seinen Freund Klimenko: „Meine Ouvertüre `Romeo und Julia‘ hatte hier keinen Erfolg und fiel durch.“ Das Werk sollte aber die erste Komposition Tschaikowskis sein, die im Ausland aufgeführt wurde. 1871 wurde sie in Berlin gespielt und dort auch gedruckt. Der Wiener Einstand im Jahre 1876 war verdüstert durch eine unfreundliche Besprechung des großen Kritikers Eduard Hanslick, der schrieb: „Diese Ouvertüre war neu, neu und befremdend, denn dass diese seelenlose, von grauen Dissonanzen und wildem Lärm durchtobte Tonschlacht eine Illustration der zartesten Liebestragödie sein sollte, das hätten die wenigsten Zuhörer zu denken gewagt.“ Die weitere große Karriere des kleinen Meisterwerkes zeigt, dass der Kritikerpabst Hanslick ziemlich fehlbar war.

1849 Otto Nicolai (1810-1849) – Ouvertüre zur Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“

Otto Nicolai lief mit 16 Jahren aus seinem Elternhaus weg, weil sein ehrgeiziger Vater ihn mit Musik drangsalierte und ihn mit allen Mitteln zum Wunderkind trimmen wollte. Merkwürdig ist dies deshalb, weil der junge Mann, der vor einer offenbar reichlich rigiden Auffassung von Musik und musikalischer Erziehung flüchtete, später nicht nur ein begeisterter Musiker, sondern gar zum Inbegriff deutschen musikalischen Humors werden sollte. Er schrieb die Erfolgsoper „Die Lustigen Weibern von Windsor“, der die gleichnamige Komödie von Shakespeare zugrunde liegt.

Nicolai, der nach einigen Jahren in Italien Kapellmeister bei den Wiener Philharmonikern wurde, hatte bis kurz vor seinem Tode mit mäßigem Erfolg ausschließlich „ernste“ Opern geschrieben. Auf dem Hintergrund seiner italienischen Erfahrungen geriet er aber über diese Art von Musik schließlich ins Grübeln. Die deutsche Oper, schrieb er, enthalte viel Philosophie und nicht genug Musik. In der italienischen Oper, wo Leichtigkeit herrsche, sei es umgekehrt. „Sollte es denn ganz unmöglich sein“ so fragte er, „einer Vereinigung beider Anforderungen zu genügen?“ Genau dies ist dem Ostpreußen, den es schließlich nach Berlin verschlug, mit seiner letzten Oper gelungen. „Die lustigen Weiber von Windsor“ sollte eine der wenigen in der Wolle gewaschenen deutschen komischen   Opern werden. Man kann in diesem Werk die Musik geradezu lachen hören.

Die tiefsinnigeren deutschen Komponisten, Richard Wagner etwa oder Pfitzner, haben es Nicolai nicht gedankt und das Werk etwas sauertöpfig als langweilige und humorlose Kapellmeisteroper abgetan. Das Publikum aber war immer anderer Meinung. Die Oper und Nicolai wurden so bekannt, daß man darüber fast vergaß, von wem das Sujet eigentlich stammte. Ein bekannter Kalauer lautet: „Gestern sind in der Oper ‚Die lustigen Weiber (-) von Windsor‘ gegeben worden“. „Ach, ich dachte, die seien von Nicolai“.

1821 Carl Maria von Weber (1786 – 1826) – Ouvertüre zur Oper „Der Freischütz“

Mit dem „Freischütz“ hat Weber nicht nur den Typus der romantischen Oper sondern mit der Ouvertüre dazu auch eine wegweisende Form der Eröffnung derselben geschaffen. Das Vorspiel des „Freischütz“ enthält in wie in einer Nußschale bereits die Idee das ganzen Werkes. Vom ersten Takt an wird der Hörer in die heimelich-unheimliche Welt des Wald- und Geisterdramas gezogen und durchlebt in abstracto die Gefühle und Konflikte, die sich später in der Handlung entwickeln werden. Damit hat Weber das Muster insbesondere für Wagners Opernvorspiele geschaffen. Wie Wagner später formulierte, besteht die höchste Aufgabe der Ouvertüre darin, „daß mit den eigentlichen Mitteln der selbständigen Musik die charakteristische Idee des Dramas wiedergegeben und zu einem Abschluß geführt würde, welche Lösung der Aufgabe des szenischen Spieles vorahnungsvoll entspräche.“ Auch in einem weiteren Punkt war Weber wegweisend. Zur Charakterisierung der verschiedenen Sphären und Stimmungen weist er gewissen Instrumenten (schon) in der Ouvertüre bestimmte „Rollen“ zu, die sie dann im Verlauf der Oper beibehalten. Die Hörner etwa stehen für das Wald- und Jägerleben, die tiefen Lagen der Streicher und vor allem die Klarinette für die „finstern Mächte“. Damit hat Weber die Grundlagen für die musikdramatische Doppelbödigkeit gelegt, die Wagner mit seiner Leitmotivtechnik zur Vollendung brachte.