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Paul Dukas (1865 – 1935) Der Zauberlehrling Scherzo nach einer Ballade von Goethe

Paul Dukas zählt zur sogenannten Goldenen Generation der französischen Musik, zu der unter anderem D’Indy, Chausson, Roussel und Debussy gehören. Er hatte engen Kontakt zu allen musikalischen Größen dieser Zeit, die für die Entwicklung einer eigenständigen „gallischen“ Musik so außerordentlich fruchtbar war. Dukas war jedoch ein Einzelgänger, der sich schon als Musikstudent jeder Vereinnahmung entzog. Er bildete sich in ähnlicher Weise autodidaktisch wie Richard Wagner, mit dessen Musik und Gedanken er sich zeitlebens intensiv beschäftigte. Wegen seiner Eigenwilligkeit wurde ihm mehrfach der begehrte Rompreis verwehrt, der seinerzeit in Frankreich für eine musikalische Kariere wichtig war. Möglicherweise war, wie bei Wagner, gerade diese Unabhängigkeit die Voraussetzung für die Schaffung eines so singulären Werkes wie dem weltberühmten „Zauberlehrling“.

Wiewohl Dukas ein durchaus ansehnliches, wenn auch schmales Oeuvre vorzuweisen hat, wird er so gut wie ausschließlich mit dem Geniestreich des „Zauberlehrlings“ identifiziert, den er 1897, genau 100 Jahre nach der Niederschrift von Goethes Gedicht, im Alter von zweiunddreißig Jahren komponierte. Er selbst scheint sich des außerordentlichen Potenzials, welches in diesem Werk steckte, zunächst nicht bewusst gewesen zu sein. In einer autobiographischen Skizze aus dem Jahre 1899 zählt er den „Zauberlehrling“ ohne weiteren Kommentar als eines neben anderen Werken auf.

Goethes Gedicht „Der Zauberlehrling“ entstand auf der Basis einer Episode aus der Erzählung „Der Lügenfreund“ des altrömischen Spötters Lukian von Samosata zu einem Zeitpunkt, als die französische Revolution, der Goethe skeptisch gegenüberstand, im Chaos zu ertrinken begann. Es wird daher in der Regel als eine Parabel über die Gefahr des Verlustes der Kontrolle über den Geist und seine tendenziell „uferlosen“ Produkte gedeutet, wenn diese nicht von einem Meister, etwa einem weisen Staatsmann, gehandhabt werden. Besondere, ggfs. doppelte Gefahr besteht dabei, wenn man das Geschäft des Geistes mit dem Beil, sprich mit dem Holzhammer zu betreiben versucht. Das ausufernde Geschehen, das aus dem fahrlässigen Spiel mit den Geistern resultieren kann, hat im vorliegenden Fall auch einen tragik-komischen Effekt. Diesen Aspekt hebt Dukas hervor, wenn er das Gedicht als Scherzo „vertont.“ Dabei gelingt es ihm auf höchst suggestive Weise, die alptraumartigen Zuspitzungen angesichts eines entfesselten Automatismus in Szene zu setzen. Als bloß komödiantisches Geschehen ist Dukas „Zauberlehrling“ dann später in Amerika popularisiert worden. Walt Disney verwendete die Musik in seinem Animationsfilm „Fantasia“ aus dem Jahre 1940, in dem er, um der seinerzeit schwindenden Popularität der von ihm geschaffenen Mickey Maus Figur entgegenzuwirken, in einer Art Rosinenpicken einige der populärsten Stücke der klassischen Musik in Zeichentrickszenen übersetzte. Tragischerweise war dies mit einem Schicksalsschlag für die Familie von Dukas verbunden. Als man im Jahre 1958 im Zuge einer der vielen Überarbeitungen von „Fantasia“ die Musik von Dukas aus vermarktungstechnischen Gründen willkürlich kürzte, flog Dukas’ Tochter, die sich für das Erbe ihres Vaters engagierte, nach Amerika, um bei Walt Disney vorstellig zu werden. Dabei kam sie bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.

Dukas „Zauberlehrling“ spiegelt exemplarisch die musiktheoretischen Überlegungen, welche der hoch gebildete Komponist in einem umfangreichen musikschriftstellerischen Werk darlegte. Er war davon überzeugt, dass nach Wagner eine von außermusikalischen Einflüssen freie Musik, wie sie etwa noch Mozart geschrieben habe, nicht mehr möglich sei. Daher hat er fast ausschließlich Werke komponiert, denen eine Textvorlage zu Grunde lag. Dennoch war Dukas bestrebt, rein musikalische Formen, die er dennoch für zwingend notwendig hielt, beizubehalten. Dementsprechend findet sich im Zauberlehrling eine geniale Verschmelzung von außermusikalischen Elementen in Form von klar zugeordneten Leitmotiven (der Lehrling, der Meister, das Beschwörungsmotiv) mit der tradierten Form des Sonatenhauptsatzes und Elementen des Rondo. Dabei wird die Form in enger Anlehnung an die außermusikalische Handlung entwickelt. So beginnt die Reprise, die Wiederaufnahme des Anfangs nach der Durchführung, in dem Moment, in dem nach Zerschlagen des bislang einzigen Besens ein zweiter Besen entsteht und sich daher das Geschehen verdoppelt und gewissermaßen wieder von vorne beginnt. Die Leitmotive wiederum werden auf kunstvolle Weise von einander abgeleitet. Der zweite Teil des Lehrlingsmotivs etwa ist das Ausgangsmaterial für das Beschwörungsmotiv. Auch ansonsten hält sich die Musik in suggestiver Weise eng an die Handlung des Gedichtes, so wenn der verzweifelte Lehrling mit dem verkürzten Beschwörungsmotiv in mehreren Tonarten erfolglos den Zauberspruch zum Stilllegen des unermüdlich geschäftigen Besens sucht; oder wenn nach der Spaltung des Besens das Besenmotiv von Kontrafagott und Klarinette zunächst im schmerzhaften Dezimenabstand und dann nach Entstehen des zweiten Besens von Fagott und Klarinette kanonartig im „heilen“ Quintenabstand vorgetragen wird.