1884 Josef Gabriel Rheinberger (1839 – 1901) – Orgelkonzert F-Dur

Rheinberger entstammt einer alt eingesessenen Liechtensteiner Familie, die Menschen mit Fähigkeiten hervorgebracht hat, welche in dem kleinen Fürstentum am Hochrhein aus dem Rahmen fielen. Von seinem Urgroßvater, einem Amtsschreiber in fürstlichen Diensten, wird berichtet, er sei der einzige Liechtensteiner gewesen, der richtig Deutsch habe schreiben können. Josef Rheinberger selbst sollte der einzige bedeutende Komponist des bergigen Landes am Rhein werden.

 

Schon in zartem Alter fiel der kleine „Peppo“ durch außerordentliches Klavierspiel und Kompositionstalent auf. Mit 9 Jahren wurde er Organist in seiner Heimatstadt Vaduz. Als solcher weihte er die Orgel ein, die sein Vater der örtlichen Kirche in einem Gelübde angesichts befürchteter Probleme bei Josefs Geburt versprochen hatte.  Obwohl ihm  die Frühbegabung schon bald  den Ruf eines  Liechtensteiner Mozarts einbrachte, sah sein  Vater, der  Grundbuchführer im Dienste  des Landes war,  die musikalischen  Umtriebe seines  frühreifen

Sprösslings mit Nüchternheit. Nur mit Mühe konnten einheimische Kenner ihn dazu überreden, den Jungen zur weiteren Ausbildung nach Feldkirch und später nach München zu schicken. Nachdem Rheinberger 3 Jahre am Konservatorium in München studiert hatte, verweigerte Vater Rheinberger dem Sohn die Zustimmung zur Fortsetzung der Ausbildung. Der fürstliche Grundbuchführer war auf gerechte Teilung der familiären Mittel bedacht und begründete seine Entscheidung damit, daß es ihm schwer falle, auf Josef mehr als auf dessen Geschwister zu verwenden.

 

In München waren es wieder Fremde, die sich für Rheinbergers weitere Ausbildung einsetzten. Die Leichtigkeit, mit der er komponierte – allein das Verzeichnis seiner Jugendwerke enthält nicht weniger als 171 Kompositionen – ließ seine Lehrer aufhorchen. Durch Vermittlung des Malers Moritz von Schwind versuchten sie den Fürsten von Liechtenstein zur Vergabe eines Stipendiums für den 15-jährigen zu bewegen. Aber auch der Landesvater, dem die Musik nicht viel galt, lehnte die weitere Förderung ab. Schließlich brachte man die nötigen Mittel durch Subskriptionen in der Münchener Kunstaristokratie auf. Der damals hochberühmte erste bayrische Generalmusikdirektor Franz Lachner erklärte sich bereit, die Ausbildung des vielversprechenden jungen Komponisten zu übernehmen. Rheinberger dankte der Stadt München die Unterstützung dadurch, daß er ihr bis zu seinem Lebensende die Treue hielt.

 

Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Rheinberger in den verschiedensten musikalischen Funktionen. Er war Klavier- und Kompositionsprofessor –  zu seinen Schülern gehörten Wilhelm Furtwängler und der Physiker Max Planck – , Korrepetitor an der Oper, Organist, Leiter der königlichen Musikschule und Hofkapellmeister. Seine eigentliche Leidenschaft aber galt dem Komponieren. Sein offizielles Werkverzeichnis enthält 197 Kompositionen. Außerdem schrieb er 100 Stücke ohne Opuszahl und das umfangreiche Jugendwerk.

 

Elemente aus Rheinbergers Jugendbiographie hat offensichtlich Robert Schneider in seiner alpenländischen Musikersaga „Schlafes Bruder“ verarbeitet, die sich einige Zeit auf den Bestsellerlisten fand und die auch verfilmt wurde. Elias Alder, die Hauptfigur des Romans, ist ein orgelspielendes Natur- und Frühtalent vom Hochrhein. Im Zusammenhang mit einem Orgelwettbewerb in Feldkirch, dies der versteckte Hinweis, fällt auch Rheinbergers Name, obwohl dieser, da der Roman in der Beethovenzeit spielt, noch garnicht lebte.

 

Rheinberger zählt, wie sein Lehrer Lachner, nicht zu den Komponisten, die auf kühne Weise neue künstlerische Horizonte eröffneten. Er orientierte sich am Bewährten, insbesondere an der Wiener Trias Haydn, Mozart und Beethoven. Von Bach übernahm er den Kontrapunkt, den er so gekonnt zu handhaben wußte, daß er den Ruf eines der größten Meister dieses Faches hatte. Bei den Protagonisten des musikalischen Fortschrittes stieß er mit seiner klassizistischen Ausrichtung allerdings auf Ablehnung. Unter Führung Richard Wagners, dessen spektakuläres Auftreten in München Mitte der 60-er Jahre des Jahrhunderts er hautnah erlebte, sorgten die „Neudeutschen“ dafür, daß Rheinberger, wie viele klassizistische Komponisten des 19. Jahrhunderts, in Vergessenheit geriet. Erst in neuerer Zeit nimmt das Interesse an den Werken dieser Komponisten wieder zu. Unser Bild von der musikalischen Entwicklung im 19. Jahrhundert hat dadurch eine wesentliche Bereicherung erfahren. Immer deutlicher wird, daß neben den bekannten vorwärtsdrängenden künstlerischen Tendenzen der Zeit eine hochentwickelte schöpferische Traditionspflege bestand, die keineswegs epigonal war. Die Werke Rheinbergers, von denen inzwischen viele neu herausgegeben worden sind, zeigen einen formbewußten romantischen Komponisten, der bei aller Liebe zur Tradition eine ausgeprägte eigene Tonsprache hat.

 

Rheinbergers Interesse galt allen Musikgattungen bis hin zur Oper. In besonderem Maße fühlte er sich aber zur Kirchenmusik hingezogen. Er schrieb zahlreiche Messen, Oratorien, Kantaten und Chöre, die meist in der Hofkirche St. Kajetan in München aufgeführt wurden, wo Rheinberger über viele Jahre die königlichen bayrischen Kirchendienste leitete. Aus seiner Neigung zur Kirchenmusik resultiert auch sein umfangreiches Orgelwerk. Neben 20 Orgelsonaten und vielen kleineren Werken schrieb er 2 Konzerte für Orgel und Orchester.

 

Das Orgelkozert in F-Dur entstand im Jahre 1884 und wurde im November des gleichen Jahres in der Leipziger Paulskirche erstmalig aufgeführt.

Werbung

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s