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Ein- und Ausfälle – Zum Religionscharakter des Kapitalismus

Die kapitalistischen Kritiker des Kommunismus haben diesen gern als ein soziales Phänomen bezeichnet, das alle Merkmale einer Religion habe, etwa weil er die Lösung aller Probleme in einer künftigen Welt verspricht, weil er eine einheitliche Weltsicht hat, der sich der Einzelne voll und ganz zu unterwerfen hat, und weil er eine von wenigen Personen dominierte kirchenähnliche Institution besitzt, welche die Lehre überwacht und die Abweichler exkommuniziert. Mit dieser Darstellung wird inzident ausgesagt, dass der Kapitalismus fester auf dem Boden der Tatsachen stehe als der Kommunismus. Tatsächlich geht es im Kapitalismus aber nicht viel weniger theologisch als im Kommunismus zu – wie das Beispiel der Börse zeigt: Auch die Börse zieht Menschen an, die das ganz große Glück suchen und bereit sind, dafür aufs Ganze zu gehen. Bei diesen Menschen verengt sich der Blick auf die Vorstellung, alle Probleme mit einem einzigen (Zahlungs)Mittel lösen zu können, von dem sie im übrigen glauben, dass es die ganze Welt durchdringe und beherrsche. Weiter gehen diese Menschen davon aus, dass sie Einfluss auf ihr Glück nehmen können, vor allem indem sie gewisse Handlungen ähnlich wie Gebete und Opfer beständig wiederholen, und zwar unabhängig davon, ob sie ihnen tatsächlich Erfolg bringen (Kaufen und Verkaufen). Ferner werden sie in ihrem Denken und Streben von Propheten mit dem vielsagenden Titel Analysten bestärkt, die vorgeben, besonderes Wissen zu haben, welches sie unmittelbar oder mittelbar aus der Quelle der Weisheit, den Unternehmen, oder durch das Lesen von Zeichen gewonnen haben wollen, mit der Folge, bedeutsame Aussagen über die Zukunft machen zu können. Schließlich verlieren auch die Glücksucher des Kapitalismus weitgehend die Fähigkeit, zwischen Tatsachen, Möglichkeiten und Einbildungen zu unterscheiden, was sie blind gegenüber der Realität macht und sie zum Spielball machtbewusster Personen werden lässt, die das System für ihre Zwecke zu nutzen wissen.

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