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Trajan, Hadrian und George W. Bush – hoffentlich wiederholt sich die Geschichte

 George Bush Junior ist nicht der erste Weltmachtpolitiker, der sich im Zweistromland verhedderte. Einem der größten Vorgänger des Texaners in der Rolle des mächtigsten Mannes der Welt ging es nicht anders. Auch der altrömische Kaiser Trajan versuchte Rom, das ohne rechten Widerstand auf sein Wort hörte, mit einer Arabienpolitik in dieser unruhigen Region zu etablieren, die ganz auf militärische Macht gestützt war. Das antike Orientabenteuer ging, wie wir wissen, schlecht aus. Es läutete das Ende der Herrschaft seines Urhebers ein. Dass dem Kaiser der neuen Welt, dessen Kleider inzwischen ziemlich durchsichtig geworden sind, ein ähnliches Schicksal winkt, wird mancher wünschen. Wirklich wünschenswert wäre allerdings, dass sich nach dem tragischen Teil der Geschichte auch das wiederholen möge, was danach kam.

Wie sehr das, was vor rund 1.900 Jahren passierte, dem ähnelt, was wir heute erleben, entnehmen wir einem alten Geschichtsbuch. Es handelt sich um das Werk „Der Kaiser Hadrian“ des deutschen Historikers Ferdinand Gregorovius. Wir wählen dieses Werk insbesondere deswegen, weil es lange vor Bush, nämlich bereits im Jahre 1884 herauskam. Dadurch können wir uns dem – selbstverständlich völlig unbegründeten – Verdacht entziehen, wir hätten die Darstellung der Vergangenheit manipuliert, um sie mit der Gegenwart vergleichbar zu machen. Zur Sicherheit werden wir sogar die wichtigsten Passagen aus diesem Buch – peinlich genau versteht sich – wörtlich zitieren (sie sind im Folgenden kursiv gedruckt).

Der Beginn der Regierungszeiten Trajans und Bushs stand eigentlich unter einem guten Stern. Beiden voraus ging eine fundamentale politische Wende, die zur Zeit der Regierung ihrer Väter eingetreten war. Unter Nerva, Trajans Adoptivvater, hatte die Zeit des ungeheuerlichen Caesarentums einen endgültigen Abschluss gefunden, in der Kaisermonster wie Nero und Caligula gewütet hatten. Ein neues Zeitalter ging jetzt über der Menschheit auf. Die Majestätsprozesse wurden abgeschafft, die Kerker geöffnet, die Exilierten zurückgerufen – ganz wie zu Zeiten eines George Bush Seniors, in der die Politmonstruositäten der Caesaren Hitler und Stalin ihr letztes Ende fanden.

Die Regentschaft von Nerva und Bush Senior endete nach kurzer Dauer, ohne dass sie viel zu Ende bringen konnten. Wahrscheinlich werden beide in den Geschichtsbüchern künftig im wesentlichen dafür Erwähnung finden, dass sie Söhne hervorgebracht haben, die unbedingt zu den ganz großen Herrschern der Welt gezählt werden wollten.

Trajan, der übrigens der erste Provinziale auf dem römischen Thron war, – Bush Junior ist vielleicht nicht der erste aber sicher ganz wesentlich auch ein Mann der Provinz – Trajan wusste, wie Bush Junnior, genau, was er wollte. All das wüste Wesen wahnsinniger Selbstsucht, welche ehedem die Despotenlaune an die Stelle der Staatszwecke gesetzt hatte, war unter Trajan von der Strömung mächtiger politischer Leidenschaften hinweggeschwemmt worden, denn dieser Herrscher hatte die Weltgeschichte wieder in hohe Wogen gebracht. Der Römergeist ging noch einmal triumphierend über die Erde…. Die römische Virtus strahlte von Waffenruhm über fremde Völker. .. Nie hatte sich die Herrschaft der Römer weiter ausgedehnt …. Gefangene Barbarenfürsten zierten wieder die römischen Triumphe.

Trajan – George W. Bush werden wir im weiteren nicht mehr gesondert nennen – Trajan ließ sich auch durch nichts daran hindern, seine Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Als erstes ordnete er die Verhältnisse auf dem Balkan. In zwei Kriegen warf er das unruhige Dakien nieder und gliederte es in das Reich ein. Wir erwähnen dies, obwohl es nicht in Bushs Zeit fällt, hier, weil auch das amerikanische Orientabenteuer ein Vorspiel auf dem Balkan hatte. Vieles spricht nämlich dafür, dass die Erfolge, welche beide Weltmächte auf diesem schwierigen Terrain hatten, den Blick für die Probleme einer Orientintervention getrübt haben.

Nach dem Balkan wandte sich Trajan dem ewigen Krisenherd des nahen und mittleren Ostens zu. Diese Region, in der außerordentlich selbstbewusste und schwer zu kontrollierende Völker mit eigenwilligen Religionen lebten, lag zwischen dem konsumfreudigen Rom und den sagenumwobenen Ländern des Ostens, aus denen hoch begehrte Waren kamen. Seit den Perserkriegen war es hier immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Ost und West gekommen. Die kulturellen und politischen Grenzen waren ungeklärt, Unruhen, Aufstände und Grenzverletzungen an der Tagesordnung. Trajan nahm sich vor, die orientalische Frage zu lösen, das mächtige Partherreich…-hinter den Tigris zurückzuwerfen und die Handelsstraßen nach Indien in Besitz zu nehmen. Es war ein Krieg der hellenisch-römischen Kultur gegen Altasien, eine Renaissance der Ideen Alexanders des Grossen.

Der die damalige Welt aufregende Feldzug wurde sorgfältig vorbereitet. Der logistische Aufwand war außerordentlich. Soldaten wurden aus dem ganzen Reich zusammengezogen und gemeinsam mit den Truppen der Hilfsvölker in das ferne Zweistromland transportiert.

Dort verlief zunächst alles nach Plan. Der Gegner, der die Weltmacht so lange herausgefordert hatte, konnte der römischen Übermacht nichts entgegensetzen. Glänzende Siege unterwarfen Trajan die Euphratländer. Nachdem seine Generäle die Hauptstädte der Region eingenommen hatten, konnte der Imperator den Feldzug für beendet halten. Er setze eine vorläufige Militärverwaltung ein und zog sich im Gefühl des Triumphes in sein Hauptquartier zurück. Dann aber kam unerwartet die Wende. Die in beiden Stromgebieten bezwungenen Völker erhoben hinter seinem Rücken die Waffen. Binnen kurzem weitete sich der Konflikt aus und erzeugte auch in anderen Teilen des Reiches heftige Wirkungen. Die „Palestinenser“ – damals allesamt Juden und weit über die östliche Welt verstreut – nutzen die Gelegenheit und erhoben sich gegen die römische Herrschaft. Sie hatten sich auch nach fünfzig Jahren noch nicht damit abgefunden, dass sie nicht mehr Herr im eigenen Land waren. Der Hass gegen die Zerstörer Jerusalems machte sie zu Kannibalen. Aufstände flackerten nicht nur in Mesopotamien auf, wo sich die „Palestinenser“ mit den gedemütigten Bewohnern des Zweistromlandes verbanden, sondern im ganzen östlichen Mittelmeer. Wenn dies glaublich ist, waren bei diesem Aufstande 240.000 Römer und Griechen erschlagen worden.

Trajan hatte nun alle Hände voll zu tun, die Unruhen zu bändigen. Nach Palestina, wo er das Zentrum der Unruhestifter vermutete, schickte er Lucius Quietus, einen seiner kompromisslosesten Generale, der dort mit eiserner Strenge schaltete, aber alles andere als die Ruhe erzeugte, die sein Name suggerierte. Trajan selbst versuchte vergeblich am Euphrat Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Erschüttert durch Misserfolge … krank von Missmut und Anstrengung, am Orient verzweifelnd, dessen Bewältigung jenseits des Euphrat sich für die Römer als unmöglich herausstellte, trat der Kaiser im Frühjahr 117 seine Rückreise“ in das Kernland seines Imperiums an. Trajan sollte sich von dem Arabiendebakel nicht mehr erholen. Er starb auf dem Weg in die Hauptstadt seines Riesenreiches, das ihm, wiewohl es nie größer war,  nicht groß genug erschien.

Soweit das Schicksal Trajans, das wir Bush natürlich nicht in dieser Härte, wohl aber in seiner demokratischen Variante wünschen. Was wir uns aber, wie gesagt, vor allem wünschen sollten, ist, dass die Geschichte so weiter geht, wie es in der Antike der Fall war. Auf Trajan folgte, wie erwähnt, Hadrian und der fand den wunderbaren Ausweg aus der Sackgasse, in die sich Trajan mit all seiner (Welt)Macht hineinmanövriert hatte.

In der Natur Hadrians lebte kein Trieb zu kriegerischer Größe. Wenn er die maßlosen Eroberungen seines Vorgängers fortsetzte, so würde er seine eigene Regierung mit unabsehbaren Kriegen begonnen und die schon stark geleerten Schätze des Reichs erschöpft haben…. Er verschmähte, es die orientalische Erbschaft seines Vorgängers anzutreten. Die neu erworbenen, aber unhaltbaren Provinzen jenseits des Euphrat beschloss er aufzugeben. Dieser Entschluss, den großen Impulsen Trajans Halt zu gebieten, war an sich von der Lage der Dinge geboten. Denn noch sein Vorgänger hatte es erleben müssen, dass es leichter sei, ferne Länder zu erobern, als sie zu behaupten. … Trotzdem war die Verzichtsleistung Hadrians kühn genug, weil sie unrömisch scheinen musste. Sie beleidigte die Kriegspartei, nach deren Ansicht das Reich nur durch Ausdehnung zu einem Weltreich erhalten werden konnte. Sie erbitterte die Generale und Offiziere Trajans, welche von der Fortsetzung des Krieges im Orient Ehren und Reichtümer erwarteten, und jetzt die Adler Roms wie Besiegte zum Rückzug sich wenden sahen. Hier hat Hadrian sich gleich bei seinem Regierungsantritt als Mann von selbständigem und besonnenem Geist gezeigt.

 

Auch für den zweiten Krisenherd der Region fand Hadrian eine wirkungsvolle und schnelle Lösung. Den Lucius Quietus hat er – wie es scheint in der ersten Stunde seiner Regierung – aus Palestina entfernt….

Hadrian hat die Linie, mit der er seine Regierung begann, während seiner zwanzig Jahre andauernden Herrschaft im wesentlichen beibehalten. Der Grundsatz, welchem Hadrian in seinem Verhalten zu Barbarenfürsten immer gefolgt ist, war dieser, sie nicht durch Kriegsgewalt, sondern durch Unterhandlungen zur Ruhe zu bringen. Er bewilligte die Forderungen, die er als gerecht erkannte.

Die Mittel, die durch den Verzicht auf eine expansive Außenpolitik frei wurden, ermöglichten es Hadrian, sich in wahrlich bedenkenswerter Weise auf die Entwicklung der Inneren Blüte des Reiches zu konzentrieren. Eine seiner ersten Amtshandlungen war, den Bürgern die Schulden gegenüber dem Staat rückwirkend für sechszehn Jahre zu erlassen. Da trotzdem eine Menge Geld übrig war, investierte er dies in die Verschönerung des Reiches. Die Methode, deren er sich dabei bediente, ist mindestens so nachahmenswert wie sein Schuldenerlass. Hadrian hat sein Riesenreich bekanntlich komplett zu Fuß durchwandert. Statt eines Heeres, das zerstört, führte er dabei ein nach militärischen Prinzipien geordnetes Corps von Ingenieuren und Künstlern mit sich. Diese hatten, überall wo er Halt machte, wunderbar geschmückte Bauwerke zu errichten oder zu renovieren. Im übrigen baute er sich in seiner letzten Lebenshälfte in Tivoli unweit von Rom eine Villa, die zum Größten und Prächtigsten gehört, was von Menschenhand jemals erstellt wurde – was vielleicht teuer und extravagant, aber allemal besser als der exzessive Erwerb von Kriegsgerät ist.

Nun mag sich mancher fragen, ob Hadrian ein hoffnungsloser Idealist und Schöngeist war. Hören wir dazu den Historiker: Die moderne Auffassung der Weltgeschichte hat die Regierung Hadrians als den Beginn einer Epoche begriffen. .. Man hat sie als das glücklichste Zeitalter des römischen Reiches, wenn nicht der Menschheit gepriesen. …Die Städte blühen wieder von Wohlstand, und die Künste schmücken sie mit hellenischer Schönheit. Die Wissenschaften regen sich in einer Renaissance des Griechentums. …Ein Geist der Humanität durchweht die verwandelte Welt. Die bürgerliche Gesetzgebung wird philosophischer und menschlicher. Das Volk, … die Armen werden zum Gegenstande für die Sorge der Staatsregierung. …Der Begriff der Nation erweitet sich …zu dem der Menschheit. Die Provinzen …erlangen ihre Gleichberechtigung neben… Rom. Das Reich der Römer ist eine Konförderation von Völkern. ..Mars ruht auf seiner Waffenrüstung, und niemals ist er den Feinden Roms furchtbarer erschienen.

Diese Geschichte darf sich, ja sie sollte sich wiederholen!