Archiv der Kategorie: Nicolai (Otto)

1836 Otto Nicolai (1810 – 1849) Ouvertüre über Luthers Choral „Eine feste Burg ist unser Gott“ für Chor und Orchester

Bei dem Preußen Otto Nicolai denkt man wie bei dem Franzosen Georges Bizet meist nur an ein Werk. Bei Nicolai ist es die Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“, bei Bizet die Oper „Carmen“. Beide Werke sind Meilensteine der Opernliteratur des 19. Jahrhunderts und haben den Namen ihrer Schöpfer in die ganze Welt getragen. Beide Komponisten verbindet darüber hinaus ein merkwürdig ähnliches Schicksal. Sie kämpften lange um Anerkennung und hatten sogar Schwierigkeiten, ihr Meisterwerk zur Aufführung zu bekommen. Als ihnen schließlich der Durchbruch gelang, konnten sie den Ruhm nicht mehr selbst erleben. Sie starben gegen Ende ihres vierten Lebensjahrzehntes jeweils zwei Monate nach der Uraufführung ihres Hauptwerkes.

Über Nicolais Hauptwerk ist weitgehend in Vergessenheit geraten, dass er, wie Bizet, auch noch einige andere interessante Werke hinterlassen hat. Bei ihm denkt man etwa kaum an Kirchenmusik. Dabei begann Nicolais musikalische Karriere als Organist der preußischen Gesandtschaftskapelle in Rom. In Italien befasste er sich intensiv mit der italienischen Sakralmusik insbesondere Palestrinas und mit der Lehre vom strengen Kontrapunkt des Padre Martini, der großen Einfluss auf die europäische Musikentwicklung hatte und schon den jungen Mozart unterrichtet hatte. Nicolais Ideal war allerdings die Verschmelzung von deutschen und italienischen Elementen, die er bei Mozart in exemplarischer Weise verwirklicht sah. „Deutsche Schule muß sein“ schrieb er einmal, „das ist die erste Bedingung, aber italienische Leichtigkeit muß dazukommen. So ist Mozart entstanden, und wenn ich seinen Geist hätte, so könnte ich auch was Gutes machen.“

 

 Als Resultat seiner kirchenmusikalischen und kontrapunktischen Studien entstand im Jahre 1836 in Italien die Ouvertüre über Luthers Choral „Eine feste Burg ist unser Gott.“ – „im Styl des 18. Jahrhunderts nach deutschen Studien“, wie Nicolai vermerkte. Tatsächlich steht darin das deutsche Element deutlich im Vordergrund. Nicolai wollte offensichtlich zeigen, dass er eine komplexe musikalische Konstruktion beherrscht und hat ein Stück nach allen Regeln deutscher Fugenkunst geschrieben, worunter allerdings die Leichtigkeit deutlich gelitten hat. Die Wahl des protestantischen Themas und die nicht eben sinnliche Faktur deuten wie auch die spätere Verwendung darauf hin, dass Nicolai mit dem Werk nach seinen italienischen Lehrjahren auf seine preußisch-protestantische Heimat zielte. Nachdem er das Stück in Wien, wo er nach seiner Zeit in Italien engagiert war, mehrfach aufgeführt und überarbeitet hatte, sandte er es 1843 als „Protestantische Kirchen Ouvertüre“ an König Friedrich Wilhelm IV. nach Berlin in der Hoffnung auf eine „angemessene Anstellung.“ Zunächst erhielt er dafür aber nur eine goldene Medaille für Kunst. Ein Jahr später machte er anlässlich der 300-Jahrfeier der Universität seiner Heimatstadt Königsberg einen zweiten Versuch mit einer Aufführung in Gegenwart des Königs. Hierfür ließ er einen goldverzierten Prachtband des Werkes erstellen, das inzwischen „Kirchliche Fest-Ouvertüre“ betitelt war. Dafür erhielt er aber auch nur eine goldene Dose und zwei Gedenkmünzen samt der Versicherung, dass sich der König darüber „sehr vorteilhaft geäußert“ habe. Die erstrebte Anstellung in Berlin bekam Nicolai erst im Jahre 1849, als er Wien verließ, weil  man dort seine „Lustigen Weiber“ nicht spielen wollte. In der preußischen Hauptstadt starb er noch im gleichen Jahr an einem Schlaganfall, wie gesagt kurz nach der Uraufführung seines Meisterwerkes.

1849 Otto Nicolai (1810-1849) – Ouvertüre zur Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“

Otto Nicolai lief mit 16 Jahren aus seinem Elternhaus weg, weil sein ehrgeiziger Vater ihn mit Musik drangsalierte und ihn mit allen Mitteln zum Wunderkind trimmen wollte. Merkwürdig ist dies deshalb, weil der junge Mann, der vor einer offenbar reichlich rigiden Auffassung von Musik und musikalischer Erziehung flüchtete, später nicht nur ein begeisterter Musiker, sondern gar zum Inbegriff deutschen musikalischen Humors werden sollte. Er schrieb die Erfolgsoper „Die Lustigen Weibern von Windsor“, der die gleichnamige Komödie von Shakespeare zugrunde liegt.

Nicolai, der nach einigen Jahren in Italien Kapellmeister bei den Wiener Philharmonikern wurde, hatte bis kurz vor seinem Tode mit mäßigem Erfolg ausschließlich „ernste“ Opern geschrieben. Auf dem Hintergrund seiner italienischen Erfahrungen geriet er aber über diese Art von Musik schließlich ins Grübeln. Die deutsche Oper, schrieb er, enthalte viel Philosophie und nicht genug Musik. In der italienischen Oper, wo Leichtigkeit herrsche, sei es umgekehrt. „Sollte es denn ganz unmöglich sein“ so fragte er, „einer Vereinigung beider Anforderungen zu genügen?“ Genau dies ist dem Ostpreußen, den es schließlich nach Berlin verschlug, mit seiner letzten Oper gelungen. „Die lustigen Weiber von Windsor“ sollte eine der wenigen in der Wolle gewaschenen deutschen komischen   Opern werden. Man kann in diesem Werk die Musik geradezu lachen hören.

Die tiefsinnigeren deutschen Komponisten, Richard Wagner etwa oder Pfitzner, haben es Nicolai nicht gedankt und das Werk etwas sauertöpfig als langweilige und humorlose Kapellmeisteroper abgetan. Das Publikum aber war immer anderer Meinung. Die Oper und Nicolai wurden so bekannt, daß man darüber fast vergaß, von wem das Sujet eigentlich stammte. Ein bekannter Kalauer lautet: „Gestern sind in der Oper ‚Die lustigen Weiber (-) von Windsor‘ gegeben worden“. „Ach, ich dachte, die seien von Nicolai“.