Archiv der Kategorie: Stuttgarter Bahnhof

Ein- und Ausfälle – Die Deutschen und die moderne Architektur

Mit den Anfängen der neuen Architektur ist es in Deutschland keine einfache Sache, insbesondere wenn dabei die Nationalsozialisten im Spiel sind. Theodor Fischer etwa, ein äußerst origineller Kopf an der Wende zur neuen Architektur und weit vor der Nazizeit geboren (1862), musste sich kurz vor seinem Lebensende (1938) noch mit Sympathiebekundungen für die Nazis kompromittieren und trat in deren Partei ein. Paul Bonatz, sein Schüler, baute den Stuttgarter Bahnhof vor der Nazizeit und trat nie in die NSDAP ein. Der Bahnhof sieht aber so aus, als könnte er in der Nazizeit gebaut worden sein. Die Nazis fanden diese Art von Architektur denn auch gut und beauftragten Bonatz später mit allerlei monumentalen Bauten. Unter anderem  gaben sie ihm eine wichtige Rolle bei der Planung der gigantomanischen Architektur für München als Hauptstadt der Bewegung. Da man seinen Stuttgarter Bahnhof schätzte, sollte er auch dort den Bahnhof bauen, und zwar in Dimensionen, wie sie sich nur größenwahnsinnige Nazis ausdenken konnten. Für Bonatz war dies zunächst kein Problem. 1943 verließ er dann aber Deutschland im Streit mit den Nazis – wegen des Bahnhofes –  in Richtung Türkei. Dies könnte ihm zu Gute gehalten werden. Nun war Bonatz aber auch gegen die bauhäuslerische Stuttgarter Weißenhofsiedlung, die unter der Federführung Mies van der Rohes, einem der Gründerväter der neuen Architektur, entstand. Und gegen diese Siedlung und überhaupt gegen das Bauhaus waren auch die Nazis. Dies könnte Bonatz wieder in einem fragwürdigen Licht erscheinen lassen. Aber die Sache ist noch komplizierter. Bonatz` Widerstand gegen die Siedlung kann auch für ihn sprechen. Denn die Weißenhofsiedlung und das Bauhaus muss man nicht unbedingt segensreich finden. Das aber darf man in Deutschland nicht ohne weiteres sagen, weil die Nazis dagegen waren. Und dann hat Bonatz in Stuttgart das phantasievolle Kunstgebäude Theodor Fischers aus den Jahren vor dem ersten Weltkrieg, das im zweiten Weltkrieg zerstört worden war, so reduziert wiederaufgebaut, dass es so aussieht, als könnte es in der Nazizeit gebaut worden sein.

Dass es noch anders geht, zeigt das Beispiel von Martin Elsässer, einem weiteren großen Vertreter der überaus interessanten Zeit des Übergangs vom Historismus zur Moderne. Er war Schüler von Fischer und Bonatz und hat vor dem ersten Weltkrieg so schöne Bauten wie die Stuttgarter Markthalle und in den 20-er Jahren expressionistische Großprojekte, etwa die Frankfurter Großmarkthalle gebaut. Elsässer wollte mit den Nazis nichts zu tun haben und erhielt daher keine Aufträge mehr. Nach dem Krieg hatte er, anders als manche Nazikollaborateure, Probleme, beruflich wieder Fuß zu fassen und musste um seine Altersversorgung kämpfen. In den 70-er Jahren wollte man sogar seine Markthalle in Stuttgart abreißen, was aber am Bürgerprotest scheiterte. Inzwischen ehrt man ihn. Seine Frankfurter Großmarkthalle wird Teil des hypermodernen Komplexes
der Europäischen Zentralbank.

Wie anfangs gesagt: mit den Anfängen der neuen Architektur ist es in Deutschland keine einfache Sache, insbesondere wenn dabei die Nationalsozialisten im Spiel sind.