Archiv der Kategorie: Klarinettenkonzert

Leopold Kozeluh (1752 – 1818) Klarinettenkonzerte Nr. 1 und 2

Leopold Kozeluh gehört zu der Phalanx von Komponisten der Wiener Klassik, deren Licht durch den Glanz, welches das Dreigestirn Haydn, Mozart und Beethoven verbreitete, überstrahlt wurde und dadurch im Laufe der Zeit mehr oder weniger verblasste. Zu diesen Sternen zweiter Ordnung gehören neben Kozeluh etwa Ditters von Dittersdorf, Leopold Hofmann, Johann Georg Albrechtsberger, Antonio Salieri, Johann Baptist Vanhal, Franz Krommer und Josef Eybler. Diese Komponisten wechselten sich in den diversen musikalischen Positionen ab, welche die musikafine k&k Metropole zu vergeben hatte. Kozeluh etwa war Klavierlehrer von Erzherzogin Elisabeth, der Tochter Maria Theresias, und Nachfolger Mozarts als Kammerkapellmeister und Hofkomponist, eine Stellung, in die er auf Lebenszeit berufen wurde. Er stammte, wie übrigens auch Vanhal und Krommer, aus Böhmen, dem schier unerschöpflichen Reservoir an Musikern, aus dem ganz Europa schöpfte.

All diese Komponisten waren außerordentlich fruchtbar. Sie schrieben Serien von Werken für einzelne Gattungen als seien sie im Wettbewerb miteinander darum, wer die meisten Symphonien, Sonaten, Quartette, Messen und Opern verfasste. Josef Haydn etwa komponierte 35 Klaviertrios, womit er nach landläufiger Vorstellung einen Spitzenplatz in dieser Gattung einnimmt. Kozeluh brachte es aber auf fast doppelt so viele Klaviertrios, womit er der Gattungssieger sein dürfte. In seinen frühen Prager Jahren verfasste er binnen weniger Jahre 24 Ballette sowie sonstige Bühnenmusik. In Wien, wohin er im Alter von 26 Jahren übersiedelte, verlegte er sich mehr auf reine Instrumentalmusik. Über die Zahl seiner Kompositionen gibt es unterschiedliche Angaben. Neben sechs Opern schrieb er unter anderem 30 Symphonien, 24 Violin- sowie zahlreiche sonstige Sonaten, eine lange Reihe von Solokonzerten, darunter 22, möglicherweise sogar 40 für Klavier und, was angesichts der raren Werke für diese Gattung bemerkenswert ist, 6 Konzerte für das Cello.

Kozeluh war zu seinen Lebzeiten äußerst erfolgreich. Das „Historisch-biographische Lexikon der Tonkünstler 1790-1792“ von Gerber stellt fest, dass er „ohne Widerrede bei jung und alt der allgemein beliebteste unter den jetzt lebenden Componisten“ sei und attestiert ihm „Munterkeit und Grazie, die edelste Melodie mit der reinsten Harmonie und gefälligsten in Absicht der Rhythmik und Modulation, verbunden“. Nach seinem Tod geriet er aber bald in Vergessenheit. Wie seinen Mitstreitern aus der zweiten Reihe klebte man ihm das Etikett des Vielschreibers an und behauptete, er habe wenig Selbstkritik gehabt. Er teilt damit insbesondere das Schicksal seines in Wien und ganz Europa seinerzeit nicht weniger hochgeschätzten Landsmanns Vanhal, der ein Gesamtwerk hinterließ, das nicht kleiner als das Josef Haydns ist, der bekanntlich außerordentlich fruchtbar war. Zu Kozeluhs musikgeschichtlichem Abstieg haben sicher auch abfällige Bemerkungen Mozarts und Beethovens beigetragen, die freilich in einem Konkurrenzverhältnis zu ihm standen. Sie beobachteten argwöhnisch den Erfolg des Böhmen, der vor allem am Hof hoch geschätzt war. (Für Mozart war Kozeluh im Übrigen auch Geschäfts“gegner“ – er verlegte von ihm Sonaten und den Klavierauszug der „Zauberflöte“). Schubert hingegen schätzte Kozeluhs Symphonien, die zum Teil so etwas wie ein Bindeglied zwischen der Wiener Klassik und der Frühromantik sind.

Munterkeit, Grazie und edle Melodien sind ohne Zweifel auch den beiden Konzerten für Klarinette eigen, welche, wie so manche Werke der Wiener Zweitligisten in neuerer Zeit wieder ausgegraben und gespielt werden. Sie sind ganz im Tonfall der Wiener Frühklassik geschrieben. Auch formal halten sie sich an die Gepflogenheiten der Zeit. Nach einem sorgfältig komponierten (Sonaten)Kopfsatz mit eingängiger Thematik kommt ein gemütvoller Mittelsatz, der von einem effektvollen Finale gefolgt wird. Die atmosphärischen und konzertanten Möglichkeiten der Klarinette mit ihrer ungeheueren Beweglichkeit werden voll ausgeschöpft, weswegen sich die beiden Konzerte inzwischen einiger Beliebtheit unter den Freunden und Spielern dieses Instrumentes erfreuen.

Außerordentliche Tiefe und Fortschrittsdrang, wie man sie von den drei Granden der Wiener Klassik, nicht zuletzt von Mozarts Referenzwerk für die Klarinette kennt, sollte man von diesen Stücken nicht erwarten. Es handelt sich um Unterhaltsmusik im besten Sinne. Wer bereit ist, seine Beurteilungsmaßstäbe nicht nur von den Ausnahmegestalten der Epoche zu beziehen, wird das hohe Niveau bewundern, auf dem sich auch die zweite Garde der Wiener Komponisten bewegte.

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Johann Nepomuk Hummel (1778 – 1837) – Te Deum für Chor und Orchester D-Dur

Hummel ist eines der zahlreichen großen Musiktalente aus dem unerschöpflichen Reservoire des k&k Reiches. Altersmäßig angesiedelt zwischen Klassik und Romantik war er mit allen großen Musikern seiner Wiener (Wahl)Heimat vernetzt. Er war Schüler Mozarts, der den achtjährigen zu diesem Zweck zwei Jahre kostenlos in seinen Haushalt aufnahm, war Kollege des alternden Haydn beim Fürsten Esterházy, war befreundet mit Beethoven, mit dem er um die Krone des besten Pianisten rivalisierte, und wurde von Schubert bewundert, der ihm seine letzten drei Klaviersonaten widmete. Als gefragter Lehrer hat er viele berühmte gewordene Schüler geformt, u.a. Ferdinand Hiller, den Schwaben Friedrich Silcher und kurzfristig auch Felix Mendelssohn-Bartholdy. Hummel war einer wichtigsten Vertreter des „stile brillante“, bei dem ein ausgeprägtes Figuren- und Passagenwerk im Vordergrund der musikalischen Gestaltung steht. Nachhaltige Wirkung hatte er damit auf Franz Liszt, der einmal sein Schüler werden wollte, aber die außerordentlich hohen Stundenhonorare nicht bezahlen konnte, die Hummel verlangen konnte. Großen Einfluss hatte er auch auf Frédéric Chopin, dessen Klavierkonzerte sich an Hummels Kompositionsweise anlehnten.

Seine Musikerlaufbahn begann Hummel als reisendes Wunderkind. Ähnlich wir Mozart war er mit seinem Vater Jahre lang in Europa unterwegs. Es folgte eine Zeit als Klaviervirtuose, als welcher er bald als einer der besten seiner Zunft galt. Man rühmte vor allem sein Improvisationstalent (eine berühmte Probe gab er davon bei der Trauerfeier anlässlich des Todes von Beethoven ab). Hummel bevorzugte aber eine gesicherte Position in einer Anstellung als Kapellmeister, die seinerzeit regelmäßig mit der eines Komponisten verbunden war. Auf Vorschlag von Josef Haydn wurde er 1804 dessen Stellvertreter beim Fürsten Esterházy und nach Haydns Tod sein Nachfolger. 1811 schied er aber im Unfrieden aus den dem ersterházy´schen Dienst aus. Man warf ihm mangelnden Fleiß und Disziplinlosigkeit vor. Nach fünf Jahren freiberuflicher Tätigkeit als Virtuose und Komponist in Wien nahm er als Nachfolger Konradin Kreutzers die Stelle des Kapellmeisters in Stuttgart an. Hier machten ihm die Kunstadministratoren das Leben schwer, weswegen er nach drei Jahren hoch frustriert in noch größerem Unfrieden als bei Esterházy seine Demission erzwang, um die Stelle des Kapellmeisters in Weimar zu übernehmen. Im Kreise der literarischen Klassiker wirkte er nun achtzehn Jahre endlich erfolgreich und glücklich. Insbesondere mit Goethe war er eng befreundet. In seiner Zeit wurde der literarische Musenhof Weimar auch zu einem Hauptort des europäischen Musiklebens. 1837 starb Hummel dort europaweit hoch geehrt. Da er auch als Geschäftsmann sehr zielstrebig und erfolgreich war, hinterließ er als der möglicherweise reichste Musiker seiner Zeit ein beachtliches Vermögen. Liszt sorgte mit Benefizkonzerten dafür, dass in Hummels Geburtsstadt Pressburg ein Denkmal für ihn erstellt wurde.

Hummels kompositorisches Werk, mit dem er zu Lebzeiten ziemlich erfolgreich war, ist sehr umfangreich. Mit Ausnahme der Symphonie, wo er offenbar nicht mit Beethoven konkurrieren wollte, hat er sich in allen Gattungen betätigt. Der Schwerpunkt lag – jedenfalls was die Aufmerksamkeit der Musikwelt betraf – bei den Werken für das Klavier, für das er u.a. sechs Konzerte schrieb. Mit diesen Werken hatte er teilweise auch eine nachhaltigere Wirkung, zumal Liszt damit große Erfolge feierte. Nicht zuletzt weil es stilistisch einer Zwischenperiode angehörte, geriet Hummels sonstiges Werk aber nach seinem Tode bald in Vergessenheit.

Vor seiner Zeit an den protestantischen Höfen von Stuttgart und Weimar, die keine Kirchenmusik nachfragten, schrieb Hummel auch einige Werke dieser Gattung, darunter sechs Messen. Auf deren Qualität ist man erst in neuerer Zeit wieder aufmerksam geworden. Dies gilt auch für das „Te Deum“ für Chor und Orchester, welches Hummel Anfang 1806 in der Zeit seiner Tätigkeit für den Fürsten Esterházy verfasste. Im esterházy´schen Musikinventar, das Hummel erstellte, heißt es, dass es für eine „Friedensfeyer“ geschrieben worden sei. Man hat daher vermutet, dass es anlässlich des Vertrages von Pressburg  komponierte wurde, mit dem Ende Dezember 1805 die Niederlage Österreichs gegen Napoleon in der Schlacht von Austerlitz besiegelt wurde. Allerdings hatten Österreich und der Fürst Esterházy, wiewohl man sich mit dem Vertrag von einer gewaltigen  Kriegslast befreit gefühlt haben mag, wenig Grund, dieses Ereignis mit einem solch brillianten und freudestrahlenden Werk zu feiern. Der Friedensvertrag von Pressburg war für Österreich äußerst bitter. Nicht zuletzt war er mit gewaltigen Gebietsverlusten verbunden. Anhaltspunkte dafür, dass das Werk seinerzeit in diesem Rahmen tatsächlich aufgeführt wurde, sind daher auch nicht vorhanden. Man weiß aber, dass es im Jahre 1828 nach dem Tode der Erzherzogs Carl August von Weimar, dem Gönner Goethes und Hummels, zur Inthronisation von dessen Nachfolger gespielt wurde. Die Leipziger „Allgemeine Musikzeitung“ schrieb damals, dass man ein „feurig und glänzend gearbeitetes“ Werk gehört habe.

1791 Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur KV 622

Die meisten Musikliebhaber dürften sich schon einmal gefragt haben, welche Musik wir von Mozart noch bekommen hätten, wenn er weitere zwanzig oder gar vierzig Jahre gelebt hätte. Die Frage stellt sich insbesondere angesichts der singulären Werke, welche dieser scheinbar grenzenlos kreative und entwicklungsfähige Musiker in seiner späten Schaffensphase komponierte. Vor allem die Werke seines letzten Lebensjahres verleiten zu Spekulationen darüber, wie es wohl weiter gegangen wäre. Denn nicht nur in der „Zauberflöte“ hört man neue Töne, etwa in der Art Harmonieführung in den Terzetten der drei Damen und der drei Knaben. Auch das Requiem, das in seiner Unvollendetheit wie ein Symbol für das plötzlich abgebrochene Schaffen Mozarts dasteht, lässt neue Perspektiven der Ausdruckskraft erahnen. Und schließlich ist da das Klarinettenkonzert, welches Mozart zwei Monate vor seinem Tod vollendete.

Mit dem Konzert für Klarinette hat Mozart das Referenzwerk für dieses Instrument und eines seiner beliebtesten und eindrucksvollsten Stücke überhaupt geschaffen. Bis heute ist es das Klarinettenkonzert schlechthin. Vor allem in dem inzwischen legendären langsamen Satz hat Mozart die emotionalen und atmosphärischen Möglichkeiten des Instrumentes maßstabsetzend ausgelotet. Ein vergleichbar bedeutendes Werk für dieses Instrument ist nur noch das Klarinettenquintett von Johannes Brahms, das genau 100 Jahre später entstand.

Die Klarinette war damals ein noch sehr junges Instrument. Ihre heutige Form bildete sich erst um die Mitte des 18. Jh. heraus. Mozart lernte die Klarinette 1778 in Mannheim kennen. Begeistert schrieb er seinerzeit an seinen Vater: „Ach wenn wir nur clarinetti hätten! – sie glauben nicht was eine sinfonie mit flauten, oboen und clarinetten einen herrlichen Effekt macht.“ Noch im Mannheim schrieb er seine Konzertante Symphonie für Bläser, bei der die Klarinette als Soloinstrument eingesetzt ist. Fortan integrierte er die Klarinette schrittweise in seine Kompositionen.

In Wien lernte Mozart dann den Klarinettisten Anton Stadler kennen, mit dem er nicht nur in musikalischen Dingen verbunden war. Stadler war offenbar eine labile Persönlichkeit, trank und ging dem Glückspiel nach und pumpte ausgerechnet Mozart, dessen finanzielle Verhältnisse selbst nicht eben geordnet waren, um erhebliche Mengen Geld an. Aber er war auch ein ausgezeichneter Musiker. Bekannt war er vor allem dafür, dass er die tiefen Register der Klarinette beherrschte. Um den Tonraum zu erweitern, ließ er das Instrument sogar durch Verlängerung zur Bassetklarinette weiterentwickeln. Mozart schrieb für ihn zwei bedeutende Werke, 1789 das Klarinettenquintett und 1791 eben das Klarinettenkonzert, beide wohl für die Bassetklarinette.

Der Plan für die Komposition des Konzertes war vermutlich in Prag entstanden, wohin Mozart Ende August 1791 mit seiner Frau und seinem Adlatus Franz Xaver Süßmayr gereist war, um an der Uraufführung seiner Oper „Titus“ im Rahmen der Krönungsfeierlichkeiten für Kaiser Leopold II. teilzunehmen. Dort traf er mit Stadler zusammen, der an der Aufführung mitwirkte. Offenbar sagte er ihm dabei die Komposition des Konzertes zu, das bei einer Benefizveranstaltung am 16. Oktober 1791 in Prag aufgeführt werden sollte. Mitte September kehrte Mozart zurück nach Wien und hatte noch zwei Wochen, um die letzten Teile der „Zauberflöte“ zu schreiben und deren Uraufführung am 30. September vorzubereiten. Eine Woche danach berichtete er nach der Rückkunft aus dem Theater seiner Frau Constance, die in Kur war, brieflich begeistert vom Erfolg der Oper, die täglich gespielt wurde. Zur Feier des Tages, schreibt er, „ließ ich mir …..schwarzen koffé hollen, wobey ich eine herrliche Pfeiffe toback schmauchte; dann instrumentierte ich fast das ganze Rondo vom Stadler“ (gemeint ist der letzte Satz des Klarinettenkonzertes, der, bedenkt man Mozarts Arbeitspensum bis zur Uraufführung der Zauberflöte, wohl nach dieser entstanden sein dürfte, was die gute Stimmung erklären könnte, die in ihm herrscht). Acht Tage später war, wie gesagt, die Aufführung des Konzertes angesetzt. Bis dahin mussten die Stimmen noch ausgeschrieben und nach Prag geschickt werden. Stadler muss das nicht eben einfache Werk also praktisch vom Blatt gespielt haben, was zeigt, wie gut er gewesen ist.

Im gleichen Brief finden sich übrigens interessante Bemerkungen über Stadler und Süßmayr. Mozart schreibt, er sehe nun ein, „dass er [Süßmayr] ein Esel ist – versteht sich, nicht der Stodla [wienerisch für Stadler], der ist nur ein bissel ein Esel, nicht viel – aber der [Süssmayr] – Ja der ist ein rechter Esel.“ Der Hintergrund dieser Bemerkung ist nicht bekannt. Mozart  war sich aber offenbar darüber im Klaren, dass Stadler nicht ganz seriös war, scheint aber, da auch er Künstler und zugleich (Billiard)Spieler war, ein gewisses Verständnis für ihn gehabt zu haben. Dass Stadler nicht sonderlich zuverlässig war, zeigt denn auch die Tatsache,  dass er das Autograph des Konzertes alsbald versetzte, wodurch es verloren gegangen ist. Bis heute weiß man daher nicht sicher, ob das Konzert tatsächlich, wie allgemein angenommen, für Stadlers Bassetklarinette geschrieben ist.

Das Klarinettenkonzert sollte Mozarts letztes Instrumentalwerk bleiben. Danach beschäftigte er sich im Wesentlichen nur noch mit „seinem“ Requiem, das der brave Süßmayr, für den Mozart offenbar weniger Verständnis hatte, nach dem Tod des Meisters, der  am 5.12.1791 eintrat, sehr achtbar vollendete.

Weitere Texte zu Werken Mozarts und rd. 70 weiterer Komponisten siehe Komponisten- und Werkeverzeichnis