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Aufstieg und Fall in Burma – Der Kolonialabenteurer Felipe de Brito e Nicote

 

Am 30. März 1613 wurde der Portugiese Felipe de Brito e Nicote in der Hauptstadt des von ihm gegründeten Königreiches in Burma als Usurpator und Tempelschänder öffentlich gepfählt. Damit endete ein Leben, das nicht weniger spektakulär war als sein Tod. Das Schicksal dieses Kolonialabenteurers, das hierzulande nicht bekannt ist, war einer jener unglaublichen Lebensläufe, wie sie Zeiten des Umbruchs hervorbringen können, Zeiten, in denen auch derjenige, dem das Schicksal wenig oder gar Widriges in die Wiege gelegt hat, aus scheinbar fest zementierten gesellschaftlichen Verhältnissen ausbrechen und unerwartet in die größten Höhen der Macht aufsteigen kann.

De Britos Erwartungen, an der großen Macht teilzuhaben, konnten kaum sehr hoch sein. Es war die Zeit, in der sich in Europa die Karten des Spieles um die Macht fest in den Händen einer kleinen Clique befanden. Zwar mischte man die Karten ohne Unterlass, um Krieg zu spielen. Aber man achtete sorgfältig darauf, dass sich der Kreis der Spieler nicht erweiterte. Durch die Entdeckungen der Seefahrer aber waren neue Karten ins Spiel der Macht gekommen, so viele, dass die europäischen Potentaten sie unter sich kaum verteilen konnten. Das war die Chance für Naturen wie De Brito, der es vom Schiffsjungen zum König brachte.

Natürlich suchten die etablierten Protagonisten möglichst auch die neuen Karten in ihre Hände zu bekommen. Danach, ob sie ein Recht darauf hatten, wurde nicht lange gefragt. Es war eine Zeit, in der die Europäer Wahrnehmen und Inbesitznehmen nicht zu trennen pflegten. Nur mühsam kaschierte man die Gier nach Macht und Gold mit dem Motiv, den Heiden das Christentum bringen zu wollen. Eilig sicherten sich die ersten Entdeckermächte, Spanien und Portugal, mit Hilfe des – spanischen – Borgia-Papstes Alexander VI die Beute der Entdeckungsfahrten. Bereits zwei Monate nach der Rückkunft des Kolumbus von seiner ersten Amerikareise erliess der Papst das Edikt „Inter caetera“, das die Basis des unglaublichsten Vertrages wurde, den die Weltgeschichte kennen dürfte. Im Vertrag von Tordesillas teilten Spanien und Portugal 1494 die Welt kurzerhand in zwei Hälften. Alles was östlich einer Linie, die man in der Nähe der Kapverdischen Inseln schön übersichtlich von Pol zu Pol zog, an unchristlichem Land gefunden werden würde, sollte den Portugiesen gehören, das westlich davon gelegene Land den Spaniern. Jeder sollte in seiner Region auch das Monopol des Handels haben. Ein Verstoß dagegen galt als besonders sündhaft und hatte, laut päpstlichem Edikt, die automatische Exkommunikation zur Folge.

So ging jeder in seine Richtung und bediente sich nach Kräften. Die Spanier überfielen Amerika und gingen bekanntlich nicht sehr christlich mit denen um, die ihnen im Weg standen. Die Portugiesen segelten um Afrika nach Osten und suchten vor allem die sagenhaften Pfefferinseln. Es stellte sich schon bald heraus, dass die Beute wesentlich größer war, als erwartet und dass ein kleines Land wie Portugal sie kaum verkraften konnte. Die Portugiesen begnügten sich daher zunächst damit, eine Reihe von befestigten Hafenplätzen an den Küsten Süd- und Ostasiens zu besetzen, um auf diese Weise den Osthandel in den Griff zu bekommen. Nicht nur der Pfeffer, der seinerzeit in Gold aufgewogen wurde, sondern auch andere Waren aus den hochentwickelten Ländern Asiens, wie Seide und Porzellan, erfreuten sich in Europa großer Beliebtheit und erbrachten besten Gewinn, seit man, der Absicht der Entdeckungsfahrten entsprechend, die diversen nah- und fernöstlichen Zwischenverdiener ausgeschaltet hatte.

Dreh- und Angelpunkt der portugiesischen Kolonialpolitik waren starke Forts, die mit wenigen Leuten und vor allem mit Kanonen leicht gegen die schlechter bewaffneten Einheimischen zu verteidigen waren. Es ist heute kaum mehr glaublich, mit welch‘ geringem Aufwand die Portugiesen sich zu Herrschern über den ganzen Osthandel machen konnten. Ihre wichtigsten Stützpunkte waren tausende Kilometer voneinander entfernt. In Südasien etwa klaffte eine riesige Lücke zwischen Goa an der Westküste des indischen Subkontinents und Malakka auf der Malayischen Halbinsel. Dies war das Betätigungsfeld von Abenteurern wie De Brito, die hier, angeregt durch die Großen wie Albuquerque, auf eigene Faust ihr Glück suchten.

De Brito stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Er war der vermutlich illegitime Sohn eines Franzosen und einer portugiesischen Mutter. Sein Vater war offenbar der französische Botschafter in Portugal Jean Nicot, nach dem, da er als erster Tabak nach Frankreich brachte, der Wirkstoff Nikotin benannt ist. Geboren wurde De Brito im Jahre 1550 in Lissabon. Es wird berichtet, dass er bereits im Alter von 10 Jahren als Schiffsjunge auf die damals außerordentlich lange Fahrt nach Asien gegangen und schon früh mit Burma in Kontakt gekommen sei. Über seine ersten 50 Lebensjahre ist wenig bekannt. Er betätigte sich zunächst als Salz- und möglicherweise auch als Kohlenhändler im Golf von Bengalen. Das Vermögen, das er dabei verdiente, hätte an sich für einen geruhsamen Lebensabend zu gereicht. Wie die meisten seiner Landleute, die es in diese Breiten verschlagen hatte, begab er sich aber auch in die gutbezahlten Dienste der lokalen Fürsten. Diese glaubten, die Fremden mit ihren Wunderwaffen bei ihren endlosen und höchst blutigen Streitigkeiten um Länder und Throne gebrauchen zu können und setzten sich dabei die Läuse in den Pelz, die sie nur noch mit Mühe oder überhaupt nicht mehr loswurden. De Brito hatte allerdings noch Höheres im Sinn. Als sich in seinem 50. Lebensjahr Gelegenheit bot, beschloss er, sich im Spiel um die Macht nicht länger mit der Nebenrolle des Königsmachers zu begnügen, sondern eine Hauptrolle zu übernehmen.

Die Gelegenheit ergab sich, als in den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts das burmesische Großreich von Pegu zusammenbrach und in mehrere kleinere Königreiche zerfiel, die sich um die Erbschaft von Pegu stritten. Das Land war nach verheerenden Kriegen, an denen De Brito als Offizier und Berater des Königs von Arakan tatkräftig beteiligt war, verwüstet und die Bevölkerung dezimiert. „Es ist eine beklagenswerter Anblick“ schrieb der Jesuit Andreas Boves, der De Brito im März 1600 durch das südburmesische Deltagebiet begleitete, „die Ufer des Flusses zu sehen, an denen man jetzt allenthalben die Ruinen von vergoldeten Tempeln und vornehmen Gebäuden sieht; die Wege und Felder sind voll Schädel und Knochen der unglücklichen Bewohner von Pegu, die getötet wurden oder verhungert sind.“ Am Entstehen dieses Zustandes war De Brito nicht unbeteiligt, denn er hatte dem König des burmesich-begalischen Grenzlandes Arakan als hoher Offizier bei der Eroberung und Plünderung der Reichshauptstadt Pegu wichtige Dienste geleistet.

Mit der Zerstörung des einst mächtigen Reiches von Pegu war die Mündung des Pegu-Flusses in den Rangunfluß, der wichtigsten Verbindung Burmas zum Meer, dem Zugriff frei. Als guter Portugiese erkannte De Brito die handelspolitische und strategische Bedeutung der Flussmündung, an der später die heutige burmesische Hauptstadt Rangun entstehen sollte, und beschloss, sich hier festzusetzen. Er brachte den König von Arakan, der sich ihm verpflichtet fühlte, dazu, ihm die Verwaltung des Hafens von Syriam unweit der Mündung des Pegu-Flusses zu überlassen. Dann überzeugte er ihn davon, dass hier eine Zollstation errichtet werden müsse, wobei er dem König vorgauckelte, er könne sich damit die Mittel verschaffen, die ihn zum Herrscher über ganz Burma und damit zum Erben des Reiches von Pegu machen würden.

Im Jahre 1600 begann De Brito im Auftrag des Königs ein Zollhaus zu erstellen. Aus der Zollstation wurde, was der König zu spät bemerkte, ein regelrechtes Fort, wie sie die Portugiesen zu bauen pflegten. Auch befestigte De Brito die Stadt Syriam, als handele es sich um eine Hauptstadt. Gleichzeitig stellte er, die Rivalitäten der burmesischen Volksstämme nutzend, um einen Kern von 60 Portugiesen eine Armee aus 3 000 Einheimischen auf und warf damit den Vertreter des Königs aus der Stadt. Als dem König von Arakan klar wurde, dass sein einstiger Vertrauter dabei war, sich in Syriam festzusetzen, war es zu spät. De Brito war bereits auf dem Weg nach Goa, um sich vom portugiesischen Vizekönig den Plan absegnen zu lassen, von Stützpunkt Syriam aus Niederburma zu erobern. Zuvor hatte er allerdings den Thron von Pegu, den er selbst ersteigen wollte, an mehrere weitere Fürsten gegen das Versprechen verkauft, während seiner Abwesenheit Ruhe zu bewahren.

Viel Ruhe hatte die Garnison von Syriam freilich nicht. Mit immer neuen Heeren und Flotten versuchten die Könige von Arakan und Taungu, die Stadt einzunehmen. Die wenigen Verteidiger, so wird berichtet, sollen sich aber selbst gegen eine Flotte von 1200 Schiffen und ein Heer von 40 000 Mann haben halten können. Schließlich fuhren die Burmesen, die die Größe der Gefahr offensichtlich erkannt hatten, großes Belagerungsgerät auf und brachten die Portugiesen in arge Bedrängnis. De Brito’s Vertreter musste die portugiesischen Schiffe verbrennen, um Desertionen seiner Leute zu verhindern. Am Ende kamen zu Gunsten der Belagerten aber die Sterne ins Spiel. Ein großer Meteor soll die Verteidiger aus ihrer verzweifelten Lage gerettet haben. Die Belagerer sahen in dem nächtlichen Feuerstrich ein himmlisches Zeichen und zogen sich unter Hinterlassen ihres gesamten Belagerungsgerätes zurück.

De Brito stieß beim portugiesischen Vizekönig in Goa mit seinen Eroberungsplänen auf großes Interesse. Die schönen Tage von Tordesillas waren vorbei. Das Spiel um die Macht in den neuen Welten begann unübersichtlicher zu werden. Inzwischen hatte die Reformation stattgefunden und die Christenheit war – auch in ihren kommerziellen Interessen – gespalten. Die protestantischen Holländer – soeben dem Joch Spaniens, das Portugal in Personalunion regierte, entkommen – kümmerten sich weder um den Vertrag mit seinen symetrisch-klaren Spielregeln für die Weltpolitik, noch um päpstlichen Segen und Bannstrahl. Als besonders unangenehmen Spielverderber mussten die iberischen Weltaufteiler den Holländer Jan Huyghens van Linschoten ansehen. Er hatte in den Jahren 1586-92 – ausgerechnet und bezeichnenderweise beim Erzbischof von Goa, dessen Sekretär und Buchhalter er war – in aller Stille Nachrichten über die sorgsam geheimgehaltenen Seewege nach Osten und den Asienhandel sammeln können und dieselben 1596 unter den Titel „Itinerario“ veröffentlicht. Das Werk wurde eine kolonialer Bestseller und sofort in mehrere Sprachen übersetzt. Es enthielt genaue Angaben über Handelsplätze und Waren sowie Küsten, Inseln, Proviantstellen und sogar Meeresuntiefen. Kaum waren die Holländer im Besitz dieser Informationen, sandten sie Handelsflotten nach Asien aus. Auch im – ebenfalls unkatholischen – England entzündete van Linschoten’s „wegweisendes“ Werk den Geist der Konkurrenz. Dort wurde im Jahre 1600 die später berüchtigte englische Ost-Indien-Kompangnie gegründet und von Königin Elisabeth mit Privilegien ausgestattet, die Portugal als äußerst störend empfinden musste. Zur Sicherung der portugiesischen Macht erschien es dem Vizekönig daher, nun da die Karten aufgedeckt waren, durchaus sinnvoll, die bloße Stützpunktpolitik zu Gunsten des Versuches aufzugeben, sich eine territoriale Basis im Hinterland der asiatischen Staaten zu verschaffen. Er ernannte De Brito zum Kapitän von Portugal sowie zum General der Eroberung von Pegu, stellte ihm 6 Kriegsschiffe und 3 000 Soldaten zur Verfügung und gab ihm zur dynastischen Absicherung seine uneheliche Tochter zur Frau, die aus einer – offensichtlich kolonialen – Verbindung mit einer Javanerin stammte. Damit konnte sich De Brito offiziell in den exklusiven Kreis der Spieler um die Macht aufgenommen fühlen, eine Gesellschaft, in der er seine Rolle alsbald mit Bravour zu spielen begann.

Kaum war De Brito zurück in Syriam, ließ er sich mit Unterstützung der Mon, einer burmesich-siamesischen Volksgruppe, die durch die Kriege um Pegu entwurzelt worden war, zum König von Niederburma ausrufen. Sein Ansehen bei den Mon scheint anfangs groß gewesen zu sein, denn die Zahl seiner Untertanen wuchs zunächst beträchtlich. Die Erfolge der Portugiesen bei der Verteidigung von Syriam und ihr augenscheinlich gewordener guter Draht zu den Sternen – ein in Burma außerordentlich wichtiger Faktor – hatten die Einheimischen so beeindruckt, dass sie sich danach drängten, unter seinen Schutz zu kommen. Auch die lokalen Fürsten suchten jetzt, da er der offizielle Repräsentant einer gefürchteten Weltmacht war, um seine Freundschaft nach, so auch der König von Arakan, der sich mit einem reichen Geschenk ruhigstellen ließ.

Als getreuer Untertan seiner katholischen Majestät baute De Brito in Syriam eine Kirche, deren Reste man noch heute sehen kann, und begann mit Hilfe einiger Mönche seine Untertanen zu christianisieren. Über die Methoden, die er hierbei anwandte, gibt es unterschiedliche Darstellungen. Burmesiche Chronisten heben seine rücksichtslose Unduldsamkeit hervor und sprechen von zwangsweiser Katholisierung. Sie beklagen vor allem, dass er – mit Zustimmung der Mönche, die den Erzbischof von Goa vertraten – die reichen buddistischen Tempel geplündert, alle goldenen Ornamente und Bildnisse eingeschmolzen und die bronzenen Glocken zu Kanonen gegossen habe. Ältere portugiesischen Schriftsteller sehen in der Zerstörung der Tempel hingegen das konsequente Ausrotten des Aberglaubens. De Brito’s gewaltsamer Tod hat ihm bei diesen folgerichtig den Titel eines Märtyrers für den Glauben eingebracht. Realistischerweise dürften seine missionarischen Aktivitäten, dem allgemeinen Brauch entsprechend, der mehr oder weniger bewussten – bei ihm eher mehr als weniger bewussten – Tarnung seiner kommerziellen Interessen gedient haben. Denn sein Hauptaugenmerk richtete er darauf, seiner Zollstation Geltung zu verschaffen. Er verordnete, dass alle Schiffe, die Niederburma anlaufen wollten, ihre Waren im Hafen von Syriam zu verzollen haben. Schiffe, die sich diesem selbstgesetzten Zollmonopol widersetzten, zwang er mit Hilfe seiner Kriegsschiffe in den Hafen oder beschlagnahmte sie, wobei er manchen guten Fang machte. Schon bald kontrollierte er fast den gesamten Seehandel Burmas, was nicht nur sehr einträglich, sondern auch deswegen nützlich war, weil er dadurch den Waffenerwerb seiner Feinde steuern konnte. Hilflos mussten sie zusehen, wie ihre Karten immer schlechter wurden.

De Britos fiskalischen Erfolge waren so bedeutend, dass der König von Arakan zu bedauern begann, sich mit einem bloßen Geschenk zufrieden gegeben zu haben. Er kündigte die erzwungene Freundschaft mit einer Flotte von 700 Schiffen auf, die er gegen Syriam sandte. Auch dieser Versuch der Rückeroberung sollte ihm jedoch teuer zu stehen kommen. De Brito konnte die Angreifer nicht nur zurückschlagen, ihm fiel auch der Sohn des Königs in die Hände, den er erst nach Zahlung einer gewaltigen Lösegeldsumme und Abtretung einer Insel, auf der sich sehr ertragreiche Salinen befanden, wieder herausgab.

Die Geschichte der nächsten Jahre ist so undurchsichtig und verschlungen wie der Dschungel, in dem all dies stattfand. De Brito ging immer wieder neue Bündnisse mit einheimischen Fürsten ein und brach oder erneuerte sie nach Bedarf. Er schloss Blutsbrüderschaft mit dem einen König, verheiratete seinen Sohn mit der Tochter eines anderen, half diesem bei der Eroberung, jenem bei der Verteidigung einer Hauptstadt und machte gemeinsame Sache mit anderen portugiesischen Abenteurern und Piraten. Was es im einzelnen mit all diesen Verwicklungen auf sich hatte, bei denen immer viel Blut floss und zahlreiche Schiffe zu Bruch gingen, lässt sich kaum mehr aufklären. Am Ende, so wird berichtet, war De Brito im Besitz von großen Goldschätzen. Einige Geschichtsschreiber wollen wissen, dass sich sein privates Vermögen auf 13 Millionen Goldmünzen belief. Man wird nicht weit von der Wahrheit sein, wenn man vermutet, dass die verwirrenden Spielzüge viel mit diesen Schätzen zu tun hatten.

Auch de Brito musste in all diesen Intrigen gelegentlich schweren Tribut entrichten. Die Unverfrorenheit, den König von Arakan ein weiteres Mal übertölpeln zu wollen, bezahlte er mit dem Leben seines Sohnes. Diesen hatte er unter dem Vorwand, einen Vertrag über eine Handelsniederlassung abschließen zu wollen, mit einigen Schiffen in die Stadt Dianga, die zu Arakan gehörte, gesandt. Der König von Arakan argwöhnte, wohl nicht zu Unrecht, dass De Brito nur beabsichtigte, einen weiteren Fuß in die Tür zu seinem Königreich zu zwängen. Er lud den Sohn samt seinen Kapitänen in seinen Palast und ermordete sie. Auch ließ er alle Schiffsbesatzungen und bei dieser Gelegenheit die 600 Portugiesen von Diango, die dort seit längerem ansässig waren, umbringen.

Einige Jahre scheint De Brito auch in relativem Frieden gelebt zu haben, weshalb er sich Dingen zuwenden konnte, die seinen Bewunderern als Beweis seiner staatsmännischen Fähigkeiten galten. Er baute zerstörte Städte wieder auf und fand Musse, sich als Geschichtsschreiber zu betätigen. Die von ihm verfasste Geschichte der Belagerung der Stadt Syriam im Jahre 1607 durch die Könige von Arakan und Taungu, die interessante Einblicke in die Seele eines Eroberers ermöglichen dürfte, liegt leider noch unveröffentlicht in der Bibliothek des Königs von Spanien.

Am Schluß hat er jedoch zu hoch gepokert. Er trieb es so weit, dass der König von Ava schwor, De Brito ins Meer zu werfen. Auch dieser König hatte die Absicht, wieder ein grossburmesiches Reich zu schaffen und hatte zu diesem Zweck schon einen großen Teil seiner Widersacher beseitigt. Sein Bruder, der König von Taungu, der früher mit dem König von Arakan gegen De Brito gekämpft hatte, war aber mit der untergeordneten Rolle, die ihm dabei zugedacht war, nicht zufrieden. Daraus ergab sich einer der blutigen Familienkämpfe um die Macht, die die Geschichte Burmas durchziehen, und der, folgt man einheimischen Geschichtsschreibern, auf merkwürdige Weise mit einer der großen burmesischen Romanzen verwoben war.

Der genannte König von Taungu hatte nämlich eine berühmte Schönheit zur Frau, zu der er auf Grund etwas seltsamer Umstände gekommen war. Angeblich hatte er sich in sie verliebt, als er ihr vom Tod ihres ersten Mannes, der sein Cousin war, in einer Schlacht berichtete. Sein Vater verbot ihm aber die ersehnte Ehe, weil die Schöne 6 Jahre älter war als er. Die Folge waren zahlreiche Liebesgedichte – sie werden zu den schönsten der burmesischen Literatur gezählt -und der Schwur, die Angebetete zur Königin von ganz Burma und dementsprechend sich selbst zum König desselben zu machen. Während sich der junge Mann, der übrigens auch philosophische Essays verfasste, wieder einmal in einer Schlacht befand, heiratete ein anderer Cousin die schöne Frau. Dieser – er gehörte zu einem verfeindeten Familienzweig – hatte das Pech, bei der Eroberung von Pegu in Gefangenschaft auf der Seite des Gedichteschreibers zu kommen, wo ihn derselbe heimlich im Gefangenenlager aufsuchte und erschlug. Nachdem auch sein strenger Vater gestorben war, heiratete der heißblütige Liebhaber, der nunmehr König von Taungu war, die doppelte Witwe.

Nun galt es noch den Rest des Schwures zu verwirklichen, nämlich König von ganz Burma zu werden, und da es hierbei Schwierigkeiten gab, verbrüderte sich der flexible Herrscher mit seinem früheren Feind De Brito. Die Schwierigkeiten beruhten darauf, dass er inzwischen von seinem Bruder, dem nicht minder ehrgeizigen König von Ava, überfallen und zu dessen Vasallen degradiert worden war. De Brito sollte ihm helfen, die Schmach zu tilgen (dass er ihm dadurch auch helfen sollte, die Krone von ganz Burma zu erlangen, musste er natürlich verschweigen, denn dazu musste er De Brito am Ende selbst aus dem Land werfen). Er forderte den Portugiesen also auf, Taungu vom Joch seines Bruders zu befreien. Es kam zur Belagerung von Taungu, wobei die Stadt allerdings zerstört und des Königs schöner Palast in Flammen aufging – ob versehentlich oder weil De Brito die Machenschaften seines Blutsbruders durchschaute, ist ungeklärt. Daraufhin begab sich der König von Taungu mit De Brito nach Syriam.

Dieser Eingriff in die Familienangelegenheiten war nun der Anlass für den bereits erwähnten weiteren Schwur in der königlichen Familie. Der König von Ava beschloss, mit dem portugiesischen Spuk in Syriam endlich Schluss zu machen. Zu diesem Zweck soll er vor den Toren von Syriam ein Heer von 150 000 Mann und 15 000 Reitern sowie eine Flotte von 3 000 Schiffen zusammengezogen haben. Auch wenn diese Zahlen, wie auch andere in den Berichten über De Brito, tropische Wucherungen enthalten und weniger Tatsachen als die Größe des Problems beschreiben dürften, das der freche Portugiese in Burma darstellte, kann kein Zweifel daran bestehen, dass es De Brito diesmal mit einem äußerst entschlossenen Gegner zu tun hatte. Seine nur 100 Portugiesen und 3000 Einheimischen hatte alle Hände voll zu tun, die Mauern von Syriam zu verteidigen.

Am Ende soll De Brito im wahrsten Sinne des Wortes sein Pulver verschossen haben, weshalb er seine Kanonen und damit seine wichtigste Waffe nicht mehr zur Verteidigung jener Mauern einsetzen konnte, mit denen alles angefangen hatte. Der Bote, den er mit einer Menge Geld nach Bengalen geschickt hatte, um für Nachschub zu sorgen, verhielt sich wie sein Auftraggeber. Er dachte an seinen eigenen Vorteil und verschwand mit dem „Pulver“.

De Brito versuchte nun Zeit zu gewinnen, denn er erwartete Unterstützung aus Goa, wohin er einen Hilferuf gesandt hatte. Eine Zeitlang war es auch noch möglich, die Angreifer mit heißem Pech und Öl zurückzuhalten. Nach einer Belagerung von mehr als drei Monaten konnte er jedoch nicht mehr verhindern, dass die Burmesen unter den Mauern, denen ihre schwachen Geschütze nichts hatten anhaben können, einen Tunnel durchstießen und in die Stadt und die „Zollstation“ eindrangen. Als einen Tag danach Hilfe aus Goa eintraf, war das Spiel bereits aus.

Das Nachspiel war, wie gesagt, bitter. Der König von Ava soll seinem Bruder die Brust haben aufschlitzen lassen. De Brito sah man, anders als im christlichen Portugal, als gemeinen Tempelplünderer an, weswegen er die dafür übliche Strafe erhielt. Er wurde im Angesicht seiner Leute und seiner Mauern auf Eisenpfähle gespießt.

Die Berichte über De Brito’s grausamen Tod – und übrigens auch über andere Details aus seinem bewegten Leben – unterscheiden sich auf merkwürdige Weise. Die Angaben über die Länge seines Todeskampf etwa schwanken auffällig zwischen einem und drei Tagen, wobei jeder der Berichterstatter den Eindruck erweckt, als sei seine Version gesichert. Es scheint, als sei der Bericht der Geschichtsschreiber davon beeinflusst, welche Strafe sie für seine Taten als angemessen erachten. Jedenfalls behaupten seine Bewunderer, dass er bereits nach einem Tag gestorben sei, während burmesiche Geschichtsschreiber angeben, seine öffentliche Qual habe drei Tage gedauert. Diejenigen Historiographen aber, die den Anspruch erheben, objektiv zu berichten, halten sich in der Mitte und geben an, dass er nach zwei Tagen gestorben sei.