Archiv der Kategorie: Mount Batur (Bali)

First Price – Last Price – Balinesische Geschäfte

 

Der Käufer einer Ware oder einer Leistung sieht sich immer wieder mit der schwierigen Frage konfrontiert, ob feste Preise ein zivilisatorischer Fortschritt oder der Ausdruck der übermächtigen Position des Verkäufers sind. Schwierig ist die Frage, weil man einerseits froh darüber ist, bei einem Erwerbsvorgang nicht immer das komplizierte Spiel der Bildung des Preises aus Angebot und Nachfrage durchexerzieren zu müssen. Es ist ohne Zweifel komfortabel und damit ein in gewisser Hinsicht ein zivilisatorischer Fortschritt, wenn man sich nicht bei jedem Geschäft umständliche Gedanken darüber zu machen braucht, was die Sache oder die Leistung, die man benötigt oder auf die man ein begehrliches Auge geworfen hat, „wirklich“ wert ist. Andererseits wird man bei der Konfrontation mit festen Preisen aber auch das Gefühl nicht los, dass man als Marktteilnehmer nicht recht ernst genommen wird. Feste Preise laufen für den Käufer ja darauf hinaus, dass sich seine Möglichkeiten bei der Gestaltung eines Erwerbsgeschäftes auf die Alternative Kaufen oder Nichtkaufen reduzieren, was tendenziell die Position des Verkäufers stärkt. Merkwürdig ist in diesem Zusammenhang nun, dass der Einzelne bei der Bildung des Preises gerade in den Marktwirtschaften eine so untergeordnete Rolle spielt, die man gemeinhin als entwickelt bezeichnet. Wenn sich in dieser Form des Wirtschaftens also der Fortschritt manifestieren sollte, dann würde er weitgehend darin bestehen, dass man als Käufer zum Befehlsempfänger des Verkäufers geworden ist. Mit einer gewissen Wehmut erinnert man sich daher der tragenden Rolle, welche man beim Ringen um den Preis in weniger entwickelten Wirtschaftsystemen spielen darf – zum Beispiel in Bali:

 

Als ich Mitte der 70-er Jahre erstmals das zauberhafte Tropeneiland am Rande des südchinesischen Meeres besuchte, entschloss ich mich, als erstes eine Fahrt quer durch die Insel in den Norden zum Vulkan Mount Batur zu unternehmen, in dessen riesigen Krater man, wie ich gehört hatte, mit dem Auto fahren konnte, um unten in einem See in warmen Quellen zu baden. An einer geführten Tour im klimatisierten Jeep, die für harte Dollars an jeder Ecke des Touristenzentrums Kuta Beach angeboten wurde, hatte ich kein Interesse. Ich wollte auf eigene Faust durch die Insel fahren. Schließlich, so sagte ich mir, konnte man nur so in wirklichen Kontakt zum Inselvolk treten, dessen Liebenswürdigkeit, Sanftheit und Tiefsinnigkeit allenthalben gerühmt wird. Ich fragte mich daher zur Abfahrtstelle der Bemos durch, den Minibussen meist japanischer Provenienz, mit denen die Einheimischen ihre Transporte durchführen. In den kleinen Fahrzeugen, die für acht bis zehn Personen gedacht sind, werden in Bali bis zu dreißig Personen befördert, was sicher damit zusammenhängt, dass die Balinesen klein und zierlich sind, möglicherweise aber auch mit dem Fehlen fester Vorgaben oder einer sehr flexiblen Handhabung derselben. Als Europäer ist man in einem Bemo eigentlich schon deswegen deplaziert, weil man unverhältnismäßig viel Platz einnimmt. Wahrscheinlich ist dies auch der Grund dafür, dass man meist einen höheren Fahrpreis als die Einheimischen entrichten muss.

 

Ich stieg also am Hauptplatz von Kuta in einen der Minibusse, der mich die kurze Strecke zum Stadtrand von Denpasar, der Hauptstadt Balis, brachte. Hier erfuhr ich, dass ich mit einer Motoradrickshaw zum anderen Ende der Stadt fahren müsse, von wo aus die Bemos in den Norden der Insel abführen. Ich war nicht der einzige, der mit der Motoradrickshaw durch Denpasar wollte. Die heulenden Dreiräder stauten sich in den engen Strassen der wenig ansehnlichen Stadt und der bläuliche Dunst, den die Zweitaktmotoren ungehindert ausstießen, verdichtete sich zu Wolken, aus denen Atemluft zu beziehen, kaum zu vermeiden war. Auf der anderen Seite der Stadt standen ein paar Bemos, von denen allerdings keines Anstalten zur Abfahrt machte. Ich wartete schweißverklebt in der Hitze und überlegte, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, mit einem klimatisierten Jeep zu fahren. Aber ich sagte mir, dass ich ja das wirkliche Leben des Volkes kennen lernen wollte. Kurz darauf hieß es einsteigen. Ich kletterte durch die Hintertür des Kleinbusses – Bemos betritt man durch die Hintertür – und nahm auf einer der beiden längs gestellten Sitzbänke Platz.

 

Die Fahrt ging außerordentlich langsam voran. Das Bemo hielt an jeder Ecke, um Leute ein- und aussteigen zu lassen. Nach einiger Zeit waren die Sitzbänke mit jeweils acht oder neun Personen voll besetzt. Der Raum zwischen den Bänken war mit allerhand Gepäck gefüllt – Säcken mit Getreide und geflochtenen Körben mit Gemüse aber auch lebendem Federvieh. Das hinderte aber nicht, dass immer wieder neue Passagiere hinzukamen. Diese mussten sich irgendwie zwischen dem Gepäck platzieren. Als dann ein kräftiger Tropenregen niederging, fand man auch noch Platz für einen wasserscheuen Motorradfahrer samt seinem Fahrgerät. Der kleine Bus war so nun so voll, dass der Schaffner nicht mehr von vorne nach hinten durchsteigen konnte, um den Fahrpreis von den Neueinsteigern zu kassieren. Er kletterte vielmehr – während der Fahrt – aus dem vorderen Seitenfenster auf das Dach und kam durch die Hintertür wieder herein. Ich selbst befand mich kurzbehost mitten im Fahrzeug, um mich herum lauter kleine Balinesen in den traditionellen bodenlangen Lunghis, die mich etwas verwundert aber freundlich ansahen. Mein Wunsch, Kontakt zum Volk zu bekommen, war ohne Zweifel schon jetzt weitgehend in Erfüllung gegangen. Weiterlesen

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