1883 Johannes Brahms (1833 – 1897) – Symphonie Nr. 3 F-Dur

Über die Umstände, unter denen Brahms seine 3. Symphonie komponierte, ist fast nichts bekannt. Brahms, der sich schon im Allgemeinen wenig über die Entstehung seiner Werke äußerte, läßt uns hier ganz im Stich. Fest steht nur, daß das Werk im Sommer des Jahres 1883 in Wiesbaden fertiggestellt und am 2. Dezember des gleichen Jahres in Wien uraufgeführt wurde.

 

Auf den ersten Blick scheint Brahms damit auch in diesem Fall seinen gewohnten Lebensrhythmus eingehalten zu haben. Brahms pflegte im Sommer zu komponieren, im Winter aber zu konzertieren und den Druck der neuen Werke vorzubereiten. In der Regel begab er sich zum Komponieren in eine inspirierende Landschaft, wo er die neuen Werke bei ausgedehnten Spaziergängen entwarf. Dies veranlaßte seine Interpreten dazu, in den Werken Spuren dieser Landschaften zu suchen. Sie konnten sich hierzu um so mehr berechtigt fühlen, als Brahms in seinen Briefen solche Zusammenhänge selbst immer wieder andeutete.

 

Die 3. Symphonie entzieht sich aber einem solchen „landschaftlichen“ Interpretationsansatz. Die gelegentlichen Versuche, die heroischen Aspekte insbesondere ihres 4. Satzes mit dem pompösen Niederwalddenkmal im Rheingau unweit von Wiesbaden in Verbindung zu bringen, welches im Sommer 1883 fertiggestellt und von Brahms seinerzeit besucht wurde, wirken ziemlich bemüht, zumal sie überdeutlich von der Absicht getragen sind, Brahms für das nationale Lager zu vereinnahmen.

 

Die Wahl des Ortes der Komposition hatte offensichtlich weniger mit der Landschaft als mit der jungen Sängerin Hermine Spieß zu tun, die in Wiesbaden wohnte und die Brahms nicht nur deswegen schätzte, weil sie seine Lieder so besonders vollkommen sang. Angesichts der hübschen 26-jährigen Altistin war der überzeugte Junggeselle in jenem Sommer offenbar ins Grübeln darüber gekommen, ob seine Entscheidung, den Freuden des Ehelebens zu entsagen, endgültig sein müsse. Man mag daher eher darüber spekulieren, ob die melancholischen Passagen des Werkes, insbesondere der dritte Satz, möglicherweise mit der Erkenntnis des 50 Jahre alten Komponisten zusammenhängen, sich mit dieser Frage zu spät und am Beispiel einer zu jungen Frau befaßt zu haben. Vielleicht ist dies auch der Grund dafür, daß die berühmte Cellokantilene dieses Satzes zum Leitmotiv für den melancholischen Beziehungsfilm „Lieben Sie Brahms“ nach dem gleichnamigen Roman von  Francoise Sagan werden konnte. Auch darin findet sich, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen, die Problematik des großen Altersunterschiedes zwischen Liebenden und das melancholisch gefärbte Motiv von Liebe und Einsamkeit.

 

Eigentlich bleibt im Falle der F-Dur Symphonie für die Interpretation „nur“ die Beschäftigung mit den rhythmischen und harmonischen Finessen des Werkes und dem kunstvollen Beziehungsgeflecht der Themen, die es satzübergreifend durchziehen. Dabei zeigt sich ein Musiker, der auf dem Höhepunkt seiner Meisterschaft ist, und der der Nachwelt ein Wunderwerk der Kompositionskunst geschenkt hat. Heute, nicht einmal einhundert Jahre nach dem Tod von Brahms, kann man von der Entstehung eines solches Werkes (leider) nur noch träumen.

 

Der Symphonie war von Anfang an ein riesiger Erfolg beschert. Die Versuche des Wagner-Brucknerflügels im Stehparkett des Wiener Musikvereinssaales bei der Uraufführung zu oponieren, wurden durch den begeisterten Applaus der großen Mehrheit des Publikums im Keim erstickt. Auch die Kritik feierte das Werk überschwenglich. Brahms unternahm nach der Uraufführung eine triumphale Konzerttournee durch ganz Deutschland, wobei er das Werk aus der handschriftlichen Partitur dirigierte. Bei der ersten Aufführung in Berlin mußte der dritte Satz wiederholt werden. In Meiningen setzte  Hans von Bülow das Werk an den Anfang und das Ende des gleichen Konzertes. Auch von einer solchen Rezeption kann man heute nur noch träumen.

 

Die Symphonie erregte so viel Aufsehen, daß sich Brahms sogar leicht verstimmt gab. Am 11.1.1884 schrieb er seinem Freund Heinrich von Herzogenberg (vermutlich nicht ohne eine gewisse Kokketerie): „In acht Tagen etwa, von Wiesbaden aus, denke ich Ihnen die leider zu berühmte F-Dur für zwei Klaviere zu schicken. Dieser ihr jetzt anklebenden Eigenschaft wegen hätte ich Lust, meine Konzerte abzusagen.“

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