Das Streichtrio ist ein wenig das Problemkind der Kammermusikfamilie. Die Experten streiten darüber, ob es ein regulärer Spross (Ausläufer der barocken Triosonate), ein Adoptivkind (erweitertes Duo) oder ein illegitimes Kind (Vorstufe zum Quartett) dieser Großfamilie ist. In der einschlägigen Literatur wird es oft stiefmütterlich behandelt. Es gibt ein Buch mit dem Titel „Kammermusik für Streicher“, in dem kein Wort über das Streichtrio zu finden ist. In der Praxis der Musikliebhaber ist das Streichtrio meist das Sorgenkind. Man spielt es in der Regel, wenn eine Geige oder die Bratsche zu spät kommt oder eines der beiden Instrumente ganz ausfällt. Die Tatsache, dass es sowohl beim Fehlen einer Geige als auch der Bratsche gespielt werden kann, zeigt im übrigen, dass auch seine Identität ist nicht eindeutig ist. Hinzu kommt, dass das Repertoire große Lücken aufweist. Es gibt kaum Streichtrios aus der Zeit zwischen 1830 und 1900, in der wiederum das Streichquartett blühte. Obwohl es in der Form des umfangreichen „Gran Trio“ und des technisch anspruchsvollen „Trio brillante“ durchaus eigene Charakterzüge entwickelte, hat man daher die Frage gestellt, ob es überhaupt eine eigene musikalische Gattung darstellt.
Beethoven scheint ein Beispiel dafür zu sein, dass das Streichtrio ein Vorläufer des Quartetts ist. Wie Haydn hat Beethoven seine Streichtrios allesamt geschrieben, bevor er sich mit dem Streichquartett befasste, das ihn dann bis zu seinem Lebensende beschäftigen sollte. Gegen die Annahme, dass das Streichtrio nur eine Etappe auf dem Weg zum Streichquartett war, steht aber der Umstand, dass Beethoven zwischen seinen beiden ersten Streichtrios (Op. 3 und 8) ein Streichquintett (Op. 4) komponierte und sich auch schon zuvor mit mehr als dreistimmigen Kammermusikwerken, allerdings unter Einbeziehung des Klaviers befasst hatte. Im übrigen handelt es sich bei Beethovens ersten Streichtrios um Werke, die in der Tradition der vielsätzigen Serenaden und Divertimentos stehen, einer Form der „Unterhaltungsmusik“, die anders als das Streichquartett, das zur Ernsthaftigkeit drängte, im 18. Jahrhundert eine Domäne des Streichtrios war. In seinen Streichtrios Op. 9 Nr. 1 – 3 scheint sich Beethoven dann aber doch dem Streichquartett zu nähern. Die Anzahl der Sätze sowie ihre Folge und Bezeichnung entsprechen dem, was beim Ouartett üblich geworden war. Insbesondere das Trio Op. 9 Nr.3 ist auch inhaltlich von großem Ernst. Es ist das erste Werk Beethovens in der Tonart c-moll, die er von da an immer für gewichtige Botschaften verwenden sollte. Ob damit aber wirklich eine Annäherung an das Streichquartett beabsichtigt war, ist nicht sicher. Für manche Betrachter deuten die melodische Geste, der harmonische Habitus und der orchestrale Klang der Trios Op. 9 darauf hin, dass sich Beethoven bei ihrer Komposition weniger am Streichquartett als an der Symphonie orientierte.