1795 Joseph Haydn (1732-1809) – Symphonie mit dem Paukenwirbel (Nr. 103)

Dreißig Jahre waren die Schlösser der Fürsten Esterházy in Eisenstadt und Esterhaz Haydns prächtige aber kleine Welt. Als Fürst Nikolaus im Jahre 1790 starb und sein Nachfolger mangels Interesse an der Musik das Orchester entließ, war Haydn, mittlerweile 58 Jahre alt, frei für die große Welt. Der Londoner Musikunternehmer Salomon nutzte die Chance und nahm den „arbeitslosen“ Komponisten sofort unter Vertrag. Haydn verpflichtete sich, in London in einer Saison zwanzig Konzerte zu dirigieren, bei denen jeweils ein neues Werk aus seiner Feder aufgeführt werden sollte. Unter anderem waren danach auch sechs neue Symphonien zu komponieren. Damit begab sich Haydn, der bislang in gesicherten Verhältnissen und mehr oder weniger abgeschirmt von der Konkurrenz gearbeitet hatte, gewissermaßen auf den musikalischen Weltmarkt. Weit mehr als im sonstigen Europa war nämlich im frühkapitalistischen London die Musik eine Angelegenheit privater Musikunternehmer, die sich in hartem Wettbewerb gegenüberstanden.

 

Allen marktwirtschaftlichen Gesetzen zum Trotz hatte der jahrzehntelange fürstliche Protektionismus Haydn nicht konkurrenzunfähig gemacht. Sein Auftritt in London machte „Salomon Concerts“ sofort zum Marktführer. Die geschockte Konkurrenz von „Professional Concerts“ suchte händeringend nach einem ähnlich zugkräftigen Markenartikel und verpflichte Haydns ehemaligen Schüler Ignaz Pleyel. Konkurrenz aber belebt das Geschäft. Salomon begegnete dem gegnerischen Schachzug mit einem Auftrag an Haydn, weitere sechs Symphonien zu komponieren. Es sollten die letzten sechs seiner insgesamt 104 Symphonien werden. Darunter war als vorletzte die „Symphonie mit dem Paukenwirbel“.

 

In den zwölf Londoner Symphonien zieht Haydn noch einmal alle Register seiner Kompositionskunst. Neben den Erfahrungen aus dem jahrzehntelangen Umgang mit der Symphonie als Musikform fließen die Ergebnisse seines ebenso bedeutenden Quartettschaffens ein. Diese Symphonien sind bis in die letzten Feinheiten durchdacht, klar in der Form und zugleich von zündender Melodik.

 

Ihren Namen verdankt die Symphonie Nr. 103 dem Paukensolo, mit dem sie beginnt. Um dieses hat es bereits bei der Uraufführung am 2. März 1795 einigen Wirbel geben. Der Londoner „Morning Chronicle“ berichtete, daß er „die höchste Aufmerksamkeit erregt“ habe. Und im kriegsbedrohten Wien des Jahres 1795 spielte man die Symphonie, weil sie wegen des heroischen Paukenwirbels geeignet schien, Begeisterung für den Krieg zu wecken (was angesichts der sonstigen eher fröhlichen Thematik des Werkes allerdings verwundert). Mangels authentischer Notierung der Dynamik ist unklar, wie Haydn selbst den Paukenwirbel gemeint hat. Es wird daher wohl ein Rätsel bleiben, ob die große Aufmerksamkeit, die er hervorgerufen hat, daraus resultiert, daß er geheimnisvoll an- und abschwoll (so die gängige Auffassung) oder weil er heroisch laut begann und im Pianissimo verebbte (so die abweichende Meinung). Aus dem Verlauf der Musik lassen sich kaum sichere Anhaltspunkte entnehmen. Bei Haydns Vorliebe für kontrastierende Effekte kann keine Lösung ausgeschlossen werden.

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