Joseph Haydn (zugeschr.) – Konzert für zwei Hörner und Orchester Es-Dur

Die Noten dieses Konzertes fanden sich unter den rund 1800 Musikmanuskripten der bedeutenden Bibliothek des Fürstenhauses Oettingen Wallerstein (die im übrigen über 100.000 Druckwerke hatte). Die Herren des Donaurieses hatten sich mit ihrem Landschlösschen Hohenaltheim ein Refugium geschaffen, wo sie unter anderem ihrer Musikbegeisterung nachgingen. Man unterhielt ein exzellentes Orchester mit Musikern, die man vornehmlich aus Böhmen holte. Christian Daniel Schubart schreibt in seinem Buch „Ideen zu einer Ästhetik einer Tonkunst“, das er im württembergischen Staatsgefängnis Hohenasperg verfasste,  über das dortige Musikleben: „Seitdem dieses uralte gräfliche Haus in den Fürstenstand erhoben wurde, seitdem blüht die Musik daselbst in vorzüglichem Grade. Ja, der dort herrschende Ton hat ganz was Originelles, ein gewisses Etwas, das aus welschem und deutschem Geschmack, mit Kapricen durchwürzt, zusammengesetzt ist“.

 

Ein wahrer Musikenthusiast war insbesondere Fürst Kraft Ernst, der dem Adelshaus in den letzten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts vorstand. Er holte hervorragende Musiker an seinen Hof und hielt auch sonst Kontakt zu musikalischen Größen der Zeit. So hatte er im Jahre 1770 in Rom Mozart kennen gelernt, der ihn sieben Jahre später auf seiner dritten Reise nach Paris auf Hohenaltheim besuchte. 1791 machte dort auch Joseph Haydn Station, als er sich auf dem Weg nach London befand. Der Fürst war ein glühender Anhänger Haydns und erwarb von ihm alles, was zu haben war. Im Jahre 1788 beauftragte er seinen Wiener Agenten, bei Haydn drei Symphonien zu seiner eigenen Verfügung zu bestellen, und begründete dies damit, daß dieser „bekanntlich der größte Synfonist ist und ich für seine Musick ganz eingenommen bin“. Tatsächlich übersandte ihm Haydn im folgenden Jahr auch seine Symphonien Nr. 90-92. Die originalen Partituren hatte er zuvor allerdings schon nach Paris verkauft, weswegen er dem Fürsten nur Kopien schickte, worüber dieser nicht begeistert war (auf entsprechende Vorhalte des Fürsten redete sich Haydn später brieflich damit heraus, er habe Kopien schicken müssen, weil seine Handschrift wegen seiner schlechten Augen nicht mehr richtig zu lesen gewesen sei).

 

Diese besondere Beziehung Haydns zu Fürst Kraft Ernst dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, daß viele Experten das vorliegende Doppelkonzert dem Österreicher zuschreiben. Haydns Autorschaft ist aber keineswegs sicher. Auf dem Manuskript selbst war ursprünglich kein Komponist genannt. Davon abgesehen soll nach einem Vermerk, der darauf offenbar später angebracht wurde, Haydns Bruder Michael der Komponist gewesen sein. Der Sachverhalt liegt damit umgekehrt wie in den Fällen der meisten sonstigen zweifelhaften Werke Haydns: unter dessen Namen wurden zahlreiche Stücke anderer Komponisten in die Öffentlichkeit gebracht, die von seinem guten Ruf zu profitieren gedachten. Der Meister hat sich an diesem Verwirrspiel teilweise sogar selbst beteiligt. Zur Förderung des Verkaufes ließ er es etwa zu, daß ein Klaviertrio seines Bruders unter seinem Namen veröffentlicht wurde. Nicht wenige Kenner sind daher der Ansicht, daß das Doppelkonzert nicht von Haydn sondern von einem der Hauskomponisten des Wallersteinischen Hofes stammt (etwa Rösler-Rosetti, der für seinen Arbeitgeber diverse Bläserkonzerte komponierte).

 

Der Streit um den Autor des Doppelkonzertes wird sich, wenn nicht handfeste dokumentarische Beweise auftauchen, kaum lösen lassen. Da Haydns Kompositionsweise einerseits einem bereits vorgeprägten, ziemlich einheitlichen Zeitstil verpflichtet war, und er andererseits diesen Stil auch wieder prägte, ist es außerordentlich schwierig, Original und (gute) „Kopie“ auseinander zu halten. Für Joseph Haydn spricht im vorliegenden Fall die meisterliche Kompositionshaltung, die dem Werk zu Grunde liegt. Sie verrät einen souveränen Könner. Auch ist der erste Satz mit seinen umfangreichen Orchestertutti geradezu symphonisch angelegt, was auf den ausgewiesenen Symphoniker Haydn verweist (aber auch wieder untypisch für seine Instrumentalkonzerte ist). Des weiteren hat der zweite Satz die emotionale Tiefe und Originalität, die wir von Haydns langsamen Sätzen kennen. Auf der anderen Seite fehlt dem Werk das, was Haydn in dem Brief, mit dem er die Symphonien Nr. 90-92 an Fürst Ernst Kraft sandte, mit „Particularitäten“ umschrieb, jene Überraschungsmomente und asymmetrischen Effekte, mit denen er sich von seinen stilistischen Genossen abhebt. Das Werk kommt selbst für einen späten Haydn ein wenig zu klassisch gesetzt daher. Davon abgesehen wissen wir aus dem Streit um die Symphonien Nr. 90-92, daß Fürst Ernst Kraft großen Wert auf originale Manuskripte von Haydn legte. Es ist daher eher unwahrscheinlich, daß er sich, wenn er schon ein Original in die Hand bekam, mit einem Exemplar zufrieden gab, auf dem der Name des hochverehrten Komponisten nicht vermerkt ist, von einer „Falschbezeichnung“ mit dem Namen des weniger „großen“ Michael Haydn ganz zu schweigen.

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