1885 César Franck (1822-1890) – Symphonische Variationen für Klavier und Orchester

Gemessen an den Maßstäben, welche die meisten großen Figuren der Musikgeschichte gesetzt haben, ist César Francks Musikerkarriere merkwürdig auf den Kopf gestellt. Die Kompositionen seiner ersten 50 Lebensjahre lassen kaum erkennen, welch` künstlerisches Schwergewicht sich hinter seiner stillen Persönlichkeit verbarg. Die Werke, mit denen er seine bedeutende Stellung in Musikgeschichte begründete, stammen allesamt aus seinem letzten Lebensabschnitt. Dazu gehört die Violinsonate in A-Dur, eine der großartigsten Schöpfungen dieser Gattung überhaupt, die große Symphonie in d-moll, verschiedene Orgelwerke, das Oratorium „Die Seeligpreisungen“, das Franck selbst als sein Hauptwerk betrachtete, und nicht zuletzt die „Symphonischen Variationen“ aus dem Jahre 1885.

 

Der Titel des Werkes zeigt bereits, worum es geht, nämlich um eine vor Franck nicht versuchte Verknüpfung des symphonischen (Sonaten)Prinzips, bei dem zwei (oder mehrere) Themen fruchtbar miteinander konfrontiert werden, mit dem Prinzip der Variation, bei dem ein Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet wird. Dem entsprechend liegen dem Werk zwei Themen zugrunde, ein „männliches“ und ein „weibliches“, deren Entstehung und gegenseitige Auseinandersetzung gerade dadurch vorangetrieben wird, daß sie sich ständig verändern. Franck hat damit der „zyklischen Form“, d.h. der konsequenten thematischen Verknüpfung aller Teile eines Werkes, die als sein Markenzeichen gilt, eine neue Variante abgewonnen.

 

Eine derart komplexe Grundstruktur bedingt eine außerordentliche Strenge und Konsequenz der Kompositionsform. Dadurch ist das Stück zu einem wahren Wunderwerk stringenter Satzkunst geworden. Bei aller Dichte der Konstruktion bleiben aber die sehr persönlichen Elemente des Franck`chen Stiles erhalten, so sein Tiefsinn und die Neigung zu Versenkung und Kontemplation. Vor allem findet sich auch hier das typische „chromatische Mäandern“, jenes scheinbar improvisatorische Auftreten von Themen, die ihre vollständige Gestalt erst im Laufe der weiteren Entwicklung gewinnen und dabei immer weiter fortgesponnen werden.

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