1884 Richard Strauss (1864 – 1949) – Suite (B-Dur) für 13 Blasinstrumente Op.4

Es ist sicher kein Zufall, daß das Horn in der Bläsersuite Op.4 von Richard Strauss als einziges Instrument gleich vierfach besetzt ist. Das Horn war nämlich das Instrument seines Vaters Franz Strauss. Auch stilistisch steht das Werk, das Richard Strauss im Alter von 20 Jahren schrieb, dem Vater nahe. Es atmet noch den Geist der klassizistischen Musikrichtung, deren Anhänger Franz Strauss gegen alle Strömungen des Zeitgeistes immer geblieben ist. Maßstab der Musik waren für Franz Strauss die Meister der Klassik und der frühen Romantik. Die moderne Musik seiner Zeit, insbesondere die der neudeutschen Schule, an deren Spitze Richard Wagner stand, lehnte Vater Strauss strikt ab. Klassizistisch ging es auch im Laienorchester „Die wilde Gung’l“ zu, dessen Dirigent Vater Strauss war, und in dem Sohn Richard seinerzeit die erste Geige spielte.

 

Dennoch ist das Leben von Vater und Sohn Strauss auf seltsame Weise mit Wagner und seinen Anhängern verflochten, wobei nicht zuletzt die Bläsersuite eine Rolle spielen sollte. Schon der Anfang ist bemerkenswert. Wagner kam auf Einladung König Ludwigs II. 1864 genau in den Tagen nach München, in denen Richard Strauss dort geboren wurde. In Wagners Gefolge war Hans von Bülow, einer seiner glühendsten Anhänger. Die Zeichen standen damit für die Klassizisten, die in München bis dato das Sagen hatten, auf Sturm. Der langjährige Leiter des Hoforchesters Franz Lachner, ein ausgewiesener Klassizist, unter dem Vater Strauss 20 Jahre gespielt hatte, beantragte schon bald seine Pensionierung. Seinen Posten übernahm Bülow. Zum seinem Leidwesen war Franz Strauss darüber hinaus „gezwungen“, unter dem Zweigespann Bülow und Wagner an der Uraufführung des „Tristan“ (am 10.4.1865 – einen Tag vor Sohn Richards erstem Geburtstag!) und der „Meistersinger“ mitzuwirken (wobei er, wie selbst Wagner zugeben mußte, deren schwere Hornpartieen, die Franz Strauss als „Klarinettenstimmen“ beschimpfte, mit Bravour meisterte).

 

Franz Strauss mochte aber nicht nur Wagners Musik nicht, er haßte ihn vor allem als Person. Wenn er bei der Geburt seines Sohnes gewußt hätte, wie sehr er sich noch über einen Mann namens Richard ärgern würde, hätte er seinem Stammhalter ohne Zweifel einen anderen Vornamen gegeben. Seinen Widerwillen gegen Wagner übertrug Vater Strauss offensichtlich auch auf Bülow. Die beiden scheinen sich permanent in den Haaren gelegen zu haben. Ausgerechnet Hans von Bülow sollte es später aber sein, der seinem Sohn Richard die Wege für eine ganz große Musikerlaufbahn ebnete.

 

Damit, daß hierbei die Bläsersuite eine wichtige Rolle spielte, hat es nun folgende Bewandtnis: Bereits 3 Jahre vor der Bläsersuite hatte Richard Strauss eine Bläserserenade für die gleiche Besetzung (also ebenfalls mit 4 Hörnern) geschrieben. Als Hans von Bülow sie im Frühjahr 1884 bei einer Probe hörte, forderte er den jungen Komponisten auf, für diese Besetzung eine weitere Suite zu schreiben. Strauss machte sich alsbald an die Arbeit und sandte das neue Werk an Hans von Bülow nach Meiningen, wo dieser seinerzeit das berühmte Hoforchester leitete. Nachdem Bülow über längere Zeit nichts von sich hören ließ, bat ihn Vater Strauss, das Werk anläßlich eines Münchener Gastspieles der Meininger wenigstens probeweise zu spielen. Bülow reagierte unerwartet. Er teilte Richard Strauss kurzfristig mit, daß er die Uraufführung des Werkes am 18.11.1884 im Münchener Odeon selbst dirigieren solle. Die Bitte von Strauss, ihm Gelegenheit zum Proben zu geben, schlug er allerdings ab. Daher mußte Strauss das Werk „vom Blatt“ dirigieren. Strauss aber war völlig unerfahren im Umgang mit dem Taktstock. Er hatte bis dahin bei Verhinderung seines Vaters allenfalls einmal eine Probe der „Wilden Gung’l“ geleitet.

 

Darüber was nach der Aufführung, die zugleich der Beginn einer großen Dirigentenkarriere war, passierte, hat der Debütant folgenden Bericht hinterlassen: „Nach der Suite kam mein Vater zu ihm (Bülow), um sich zu bedanken, da brach der Sturm los: „Sie brauchen sich gar nicht zu bedanken, ich habe nicht vergessen, was Sie mir seinerzeit alles angetan haben, was ich für Ihren Sohn tue, tue ich, weil er Talent hat, nicht für Sie“. Es war eine schreckliche Explosion. Mein Vater verließ wortlos und tief erschüttert das Zimmer“. Die Folgen dieses „Auftrittes“ waren für Richard Strauss dennoch von größter Bedeutung. Kurz danach berief Bülow Strauss als Kapellmeister nach Meiningen, wo er Erfahrungen im Umgang mit einem Orchester sammeln konnte, die für seine weitere musikalisches Entwicklung außerordentlich wichtig waren.

 

Die Ironie des Schicksal wollte, daß Richard Strauss in der Folge zum vielleicht bedeutendsten „Wagnerianer“ werden und das musikalische Erbe des schillernden Sachsen auf großartige Weise fortführen sollte. Dies mußte zum Bruch mit den künstlerischen Überzeugungen seines Vaters führen (wobei er dessen Erbteil aber insofern bewahrte, als auch er den einmal eingenommenen musikalischen Standpunkt lebenslänglich gegen alle Strömungen des Zeitgeistes verteidigte). Vielleicht erschließt sich auf dem Hintergrund der „Lösung“ vom Vater der tiefere Sinn einer Bemerkung, mit der sich Richard Strauss später von dem jugendlichen Bläserwerk distanzierte. In einem Brief an seine Eltern schreibt er darüber nämlich: „Gegen vier Hörner sind zweifache Hölzer unmöglich“.

Hinterlasse einen Kommentar