Die Harfe, eines der ältesten Musikinstrumente, gelangte im frühen Mittelalter aus dem Orient, wo sie schon vor 5000 Jahren bekannt war, über die keltischen Teile der britischen Inseln nach Europa. Erst von Irland und Wales aus verbreitete sich das vielse(a)itige Instrument, das man auch „cithara anglica“ nannte, auf dem Kontinent. Dort nahm es im Laufe der Zeit die verschiedensten Formen an. Seine vorläufig letzte Gestalt fand es in der heute allgemein gebräuchlichen Pedalharfe, die zuerst in Deutschland entwickelt wurde.
Im angelsächsisch-keltischen Kulturraum blieb die Harfe über die Jahrhunderte ein volkstümliches Instrument (sie ist noch heute im irischen Staatswappen abgebildet). Es ist daher nicht verwunderlich, daß mit John Thomas eine der führenden Figuren der walisischen Volkstumspflege im 19. Jahrhundert Harfenist war. John Thomas spielte insbesondere bei der Wiederbelebung der „Eisteddfods“ eine wichtige Rolle. Im Mittelalter waren dies Standesversammlungen der walisischen Barden, die nach Art der Meistersingertreffen mit einem rituellen Wettbewerb verbunden waren. Im 16. Jahrhundert degenerierten die Eisteddfods zu einer Art Berufsverbandskongress und dienten nicht zuletzt dazu, das Fürstentum Wales von „vagabundierenden und müßiggehenden Personen zu befreien, die sich als Spielleute, Versmacher und Barden bezeichnen“. Sie waren also in gewisser Hinsicht gegen die Laienmusiker gerichtet. Danach gerieten die Eisteddfods in Vergessenheit. Anfang des 19. Jahrhundert erstanden sie im Zuge des aufkeimenden walisischen Nationalismus wieder als Musik- und Literaturwettbewerbe.
John Thomas selbst gewann als 12-Jähriger den Wettbewerb eines Eisteddfods auf der Tripel-Harfe. Später nahm er an allen großen Eisteddfods als Spieler oder Jury-Mitglied teil. 1852 wurde er Oberbarde. In dieser Eigenschaft sorgte er dafür, daß diese walisischen Traditionsveranstaltungen zu Chorfestivals ausgeweitet wurden. Damit trug er wesentlich dazu bei, daß sie noch heute auf lokaler, nationaler und inzwischen auch internationaler Ebene zur Sammlung und Pflege walisischen Volkstums abgehalten werden.
Wie die echten Barden betrieb John Thomas das Harfenspiel beruflich. Er war damit ein Vertreter der heute weitgehend ausgestorbenen Spezies der Harfner (der Bereich der Harfenkunst ist eines der wenigen kulturellen Felder, auf dem die Frauendominanz inzwischen so groß, daß man von einem Bedarf an eine Männeremanzipation sprechen könnte). Als Harfenvirtuose bereiste John Thomas Europa bis nach Rußland und ließ sich schließlich in London nieder, wo er zu hohen Ehren kam und königlicher Hofharfinist wurde.
Im englischen „Exil“ befaßte er sich mit der Sammlung alter und der Anregung neuer walisischer Musik. 1862 veranstaltete er in London das erste Konzert, bei dem ausschließlich Musik seiner Heimat gespielt wurde. Er komponierte auch selbst solche Musik, darunter im Jahre 1863 das dreisätzige, wunderbar melodiöse Harfenduo „Cambria“, wobei Cambria nichts anderes als der mittelalterliche Name für Wales ist.