1859 Caesar Franck (1822-1890) – Die sieben Worte Jesu am Kreuz

César Franck ist persönlich und musikalisch eine merkwürdige nord-westeuropäische Erscheinung. Er ist von deutscher Abstammung (seine Eltern kommen aus Aachen), ist aber in Belgien (Lüttich) geboren und wirkte ausschließlich in Frankreich (sein gesamtes künstlerisches Leben verbrachte er in Paris). Musikalisch gilt er als einer der Väter der neueren französischen Musik. Diese entwickelte er aber unter Einbeziehung der Errungenschaften der neudeutschen Schule Wagners und Liszts aus dem Geist der Wiener Klassik. Dabei hat er wesentlich zur Schaffung der Grundlagen einer so typisch französischen Hervorbringung wie des musikalischen Impressionismus beigetragen.  

Vor der Epoche seiner späten der Meisterwerke wirkte Franck jahrzehntelang weitgehend im Stillen vor allem als Kirchenmusiker. Im Alter von 26 Jahren hatte er sich vorgenommen, neben seiner aufreibenden Erwerbstätigkeit als Lehrer und Organist täglich zwei Stunden der Kompostion oder dem Studium großer musikalischer oder literarischer Werke zu widmen. In den folgenden beiden Jahrzehnten entstand auf díese Weise in Nachtarbeit eine Reihe von Kompositionen meist für den liturgischen Gebrauch, über die Franck nach und nach zu seinem eigenen Stil fand. Diese Werke haben wenig Beachtung gefunden. Dies gilt in besonderem Maße für eine Komposition wie die „Sieben Worte Jesu am Kreuz“, deren Existenz überhaupt erst knapp hundert Jahre nach ihrer Entstehung bekannt wurde. Das Manuskript, das mit 14.8.1859 datiert ist, wurde im Jahre 1954 von der Bibliothek in Lüttich aus Privatbesitz erworben.  

Über die Entstehungsbedingungen des Werkes und darüber, ob es jemals aufgeführt wurde, ist nichts bekannt. Dies und der Umstand, daß sich Franck zu keinen Zeitpunkt dazu äußerte, hat die Frage aufkommen lassen, ob die Komposition überhaupt von seiner Hand stammt. Tatsache ist aber, daß das Manuskript von ihm handschriftlich datiert und signiert wurde. Auch stilistische Gesichtspunkte sprechen für seine Autorenschaft. Wie die meisten seiner kirchenmusikalischen Werke tragen die „Sieben Worte Jesu am Kreuz“ allerdings noch nicht die Züge des späten Franck. Er ist vielmehr noch dabei, verschiedene Ausdruckmöglichkeiten auszuprobieren.  

Anders als etwa Schütz, der die letzten Worte Jesu ebenfalls zum Gegenstand einer Passionsmusik machte, hat Franck die Worte nicht im Kontext des biblischen Berichtes vertont. Sie werden vielmehr durch andere Texte kommentiert, die teils aus dem Alten und Neuen Testament, teils aus den „Improprien“ und dem „Stabat Mater“ stammen. Auf diese Weise löst Franck das dramatische Gestaltungsproblem, das daraus resultiert, daß die Worte im Grunde nur eine einzige Stimmungslage widerspiegeln (was insbesondere bei Haydns Quartettwerk zu diesem Thema sehr deutlich wird). Beim 5. Wort („Mich dürstet“) greift er allerdings auf den biblischen Bericht zurück, da dieser ihm die Gelegenheit gibt, dem Leiden des Gekreuzigten auf dramatische Weise den Spott der Soldaten gegenüberzustellen, wobei letzterer merkwürdigerweise im Stile der italienischen Oper geschildert wird.

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Eine Antwort zu “1859 Caesar Franck (1822-1890) – Die sieben Worte Jesu am Kreuz

  1. Dr. Thorsten Schaaf

    In der Tat ist im weltweiten Netz kaum etwas zu über die Caesar Franck zugeschriebene Komposition zu finden. Ich möchte daher ergänzen, dass das „Collegium Musicum der Berliner Universitäten Freie Universität Berlin (FU) und Technische Universität (TU)“ und der Leitung von Prof. Manfred Fabricius im Großen Saal der Berliner Philharmonie Berlin „Die sieben Worte Jesu am Kreuz“ am 17.02.2003 zur Aufführung brachten. Die Aufführung wurde vom „Großen Chor“ und „Sinfonie Orchester“ des Collegiums zu Gehör gebracht. Weil ich selbst zu den Mitwirkenden des Großen Chores gehörte, vermeide ich bewusst eine Bewertung, habe jedoch noch lebhafte und angenehme Erinnerungen an die Einstudierung und an das Konzert vor ausverkauftem Haus.
    Beste Grüße aus Berlin,
    Thorsten Schaaf

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