Die Ausreifung der Gattung Klaviertrio ist, wiewohl von Haydn und Mozart bestens vorbereitet, recht eigentlich das Verdienst Beethovens. Er machte die Gattung zur zweiten Hauptsäule der Kammermusik neben dem Streichquartett. Der Bonner, der nach Wien zog, um bei Haydn Kompositionsunterreicht zu nehmen, begann seine offizielle Laufbahn als Komponist mit drei Klaviertrios (Op. 1 Nr. 1-3). Seine Tätigkeit als ausübender Musiker beendete er mit einer Aufführung seines gewaltigen „Erzherzogstrios“ (Op. 97), ein Werk, das er noch auf seinem Totenbett als sein Lieblingswerk bezeichnete. Nach Beethoven waren alle Komponisten, die sich in der (Kammer)Musik einen Namen machten wollten, darum bemüht, in dieser Gattung etwas ganz besonders zu schaffen.
Schubert schrieb drei Klaviertrios und einen isolierten langsamen Triosatz. Das erste Werk für diese Besetzung entstand ebenfalls am Anfang seiner kompositorischen Laufbahn (1812). Danach klafft eine Lücke, die fast bis an das Ende seines Lebens reicht. Das nächste Klaviertrio, B-Dur, trägt bereits die Opuszahl 99 und wurde 1827 oder 1828 komponiert. Etwa gleichzeitig entstanden ein zweites Klaviertrio (Es-Dur, Op. 100) und der Notturno genannte, allein stehende Triosatz, der möglicherweise einmal als langsamer Satz für Op. 99 gedacht war. Die große Lücke wirft die Frage auf, warum Schubert, der in der Zwischenzeit sehr viel Kammermusik, darunter auch zahlreiche Werke mit Beteiligung des Klaviers schrieb, sich so lange von der Gattung Klaviertrio fernhielt. Es erscheint nicht unwahrscheinlich, daß diese Abstinenz etwas mit Beethoven zu tun hatte.
Schubert bewunderte Beethoven, liebte ihn aber nicht. Er empfand ihn künstlerisch als einen Giganten, der ihm die Luft wegzunehmen drohte. Nach der Schilderung seines Bekannten Schindler besuchte Schubert den großen Meister im Jahre 1822 und legte ihm ein Werk für Klavier zu vier Händen mit der Zueignung „von seinem Verehrer und Bewunderer Franz Schubert“ vor: Beethoven soll ihn dabei auf eine harmonische Unrichtigkeit aufmerksam gemacht haben, was Schubert ganz aus der Fassung gebracht habe. Danach habe er niemals wieder den Mut gehabt, sich dem Meister vorzustellen (Schuberts Freund Hüttenbrenner sagt allerdings, er, Schindler und Schubert hätten Beethoven noch einmal acht Tage vor dessen Tod am Krankenbett besucht). Beethoven starb im März 1827. Es ist, als habe Schubert danach wieder genügend Luft bekommen, um sich an eine Gattung zu machen, die Beethoven als seine ganz persönliche Domäne ansehen durfte.
Die beiden späten Klaviertrios Schuberts gehören heute zum Kernbestand der Gattung. Ihre große Anlage und die kühnen kompositorischen Neuerungen, die sie aufweisen, zeigen das Bemühen des Komponisten, nach dem Maßstabe, den Beethoven gelegt hatte, etwas ganz Besonderes zu schaffen. In formaler Hinsicht, etwa der Viersätzigkeit, knüpfte er dabei weitgehend an den großen Meister an. Inhaltlich ist er aber seinen eigenen Weg gegangen. Beethovens Instrumentalmusik ist durch ein starkes finales Element gekennzeichnet. Die Musik läuft nach ihrer inneren Logik auf einen Schluss zu, in dem die Gegensätze des musikalischen Materials, die zuvor aufgeworfen worden sind, aufgehoben werden. Dieser dramatischen Grundauffassung setzt Schubert eine eher epische Konzeption entgegen. Seine Musik strebt nicht so sehr einen bestimmten Ziel zu, sondern leuchtet die Möglichkeiten des musikalischen Materials in aneinandergereihten Varianten immer wieder neu aus. Dies ist der Grund dafür, daß sich bei Schubert an Stelle „logisch“ entwickelter Übergänge, wie sie die Wiener Klassik kennt, häufig bloße Rückungen, das heißt unvermittelte harmonische und thematische Neuanfänge finden. Diese Kompositionsweise, die weit in die Zukunft weist (sie wurde erst von Liszt und Bruckner wieder aufgegriffen), führt dazu, daß sich der Hörer in der scheinbar endlos wiederkehrenden Thematik bald wie zu Hause fühlt, ein Effekt den Schumann in Hinblick auf Schuberts große C-Dur Symphonie, die wenige Monate später entstand, als „himmlische Länge“ bezeichnete.
Das eher heitere B-Dur Trio wurde nur einmal, am 28.Januar 1828, in privatem Kreis gespielt und danach „ad acta“ gelegt. Das ernstere Trio Op. 100 hingegen wurde – bezeichnenderweise – an Beethovens erstem Todestag am 26. März 1828 in Wien erstmals öffentlich aufgeführt. Dieses Trio bot Schubert auch einem Verleger an. Es kam wenige Tage vor dem Tod des Komponisten im November 1828 auf den Markt. Es ist damit eines der wenigen Instrumentalwerke Schuberts, die zu seinen Lebzeiten aufgeführt und gedruckt wurden. Das B-Dur-Trio wurde erst im Jahre 1836 veröffentlicht. Schumann begrüßte es damals mit den Worten: „Ein Blick auf das Trio und das erbärmliche Menschentreiben flieht zurück und die Welt glänzt wieder frisch.“