Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies – Tagebuch einer Rucksackfamilienreise durch Malaysia im Jahre 1985 – Teil 6

Der vollständige Text befindet sich auf der Seite IX Reisetagebuch Malaysia 1985

25.3.1985

Am Morgen liegt das Schulboot am Landungssteg. Es bringt die Kinder von Guara für 14 Tage in ihre Schulquartiere auf der Hauptseite der Insel. Dort wohnen sie bei Verwandten und Bekannten. Die Kinder warten, sauber herausgeputzt, mit ihren besorgten Müttern am Pier auf die Abfahrt des Bootes. Allerlei Gepäck und Verpflegung muss untergebracht werden. Zwischen Bergen von Kokosnüssen und sonstiger Last sitzen die Kinder auf dem offenen Deck. Judi und die beiden Kleinen entschließen sich, die Gelegenheit zu nutzen und mit dem Schiff zurückzufahren. Sie gesellen sich zu den zierlichen Malayenkindern, unter denen sie wie Riesen aussehen.

Die wahren Dschungelenthusiasten wählen den Fußweg – schon eingedenk der hohen Wellen, in denen wir gestern gebadet hatten. Auch hatten wir die Dschungelfotos wegen der schlechten Lichtverhältnisse im Wald noch zurückgestellt. Sie mussten unbedingt nachgeholt werden. Das Boot – es ist von der üblichen Bauart – schaukelt aus der Bucht. Dott, die eigentlich mitfahren wollte, hat es verpasst, weil es früher abgefahren ist als geplant – auch das gibt es in Asien. Es sollte allerdings ihr Glück sein. Kurze Zeit später erscheint nämlich John und sucht – nicht ganz unbesorgt – seine eskapatistische Gemahlin, wozu er sich offensichtlich schon in aller Frühe auf die Beine gemacht hat.

Nach einem letzten Wellenbad machen Cinqui und ich sich ebenfalls auf den Rückweg. Wir durchqueren wieder die flache Bucht mit ihren Kokospalmen. Natürlich holen wir uns eine letzte Abkühlung in „unserem“ Fluss am Ende der Bucht. Es folgt der lang ansteigende Weg ohne Schatten. Die Sonne steht im Zenit. Schon bald sehnen wir uns wieder nach Wasser. Da der Weg weit oberhalb der Täler verläuft, ist Wasser auf dieser Seite des Aufstiegs rar. Später können wir es zwar hören, finden jedoch keinen Zugang. Endlich kommt der Dschungelpool. Er besteht aus einem kreisrunden Loch von etwa sieben Metern Durchmesser, ist zwei Meter tief und mit klarstem fließendem Wasser gefüllt. Wir nehmen darin ein ausgiebiges Bad.

Nach dieser Erfrischung ist der weitere Weg schon wesentlich angenehmer, zumal wir das schlimmste hinter uns haben und uns der Schattenzone nähern. Abseits des Weges entdecken wir das weich ausgewaschene Tal eines Wildbaches, der unter einem Gewirr von abgebrochenen Ästen und umgestützten Bäumen hindurchrauscht. Abenteuerliche Lianen spannen sich hier sogar quer über das Flussbett. Es folgt der steile Abstieg über Stock und Stein. Jetzt öffnen sich aufregende Blicke in die Tiefe, etwa entlang der Schneise, die ein gestürzter Urwaldriese irgendwann einmal geschlagen hat. Überhaupt ist es die Gemengelage von toter und lebender Natur, die einen so berührt, vielleicht, weil sie deutlich macht, wie einseitig unser Bild von der Natur ist. Es ist sehr von den „aufgeräumten“ Kulturlandschaften Europas geprägt. Mehrfach rasten wir am Rande eines kleinen Baches, kühlen uns die Füße und staunen.

Viel zu schnell ist alles wieder vorbei. Noch einmal eröffnen sich Ausblicke, von denen man das Ganze der durchstiegenen grünen Wand mit den hellen Stämmen der Riesen überblicken kann. Die Dorfmoschee ist erreicht, dann folgen Kulturlandschaft, Häuser und die flache Bucht. Es bleibt noch der heiße Gang zu Nazri’s, der uns sehr lang erscheint.

Vom Rest der Familie ist dort nichts zu sehen. Wir warten am Strand, gehen dann in Richtung ABC-Strand auf Suche. Von dort kommen uns Judi und die beiden Kleinen bereits entgegen. Sie berichten von einer grandiosen Fahrt entlang den unzugänglichen Steilküsten der Insel und von reichlich Seekrankheit bei den malayischen Schulkindern.

Nachdem der Hüttenbann in Guara gebrochen wurde, entschließen wir uns, tiefsitzenden Sehnsüchten folgend, die letzte Nacht im Paradies zu verbringen, wo es natürlich nur Hütten gibt. Damit emanzipieren wir uns endlich von Nazri, der uns jetzt wie der letzte Außenposten einer fragwürdig gewordenen westlichen Zivilisation erscheint. In der malerischen Kolonie am Rande des Paradiesbaches finden sich tatsächlich zwei passende Hütten. Die Kinder bestehen nicht einmal darauf, dass sie in unmittelbarer Nachbarschaft stehen.

Den Abend verbringen wir philosophierenderweise im Restaurant am ABC-Strand bei einer neuen Variation des Malayendinners, das die Köchin vermutlich für europäisch hält: Fisch, Reis mit Soße, Gemüse – diesmal mit Bananen. Die Weltprobleme loten wir mit einem holländischen Travellerspaar aus. Das Gespräch, das bis tief in die Nacht geht, wird eine Art Stoffsammlung zum Thema „Soziale Funktion der Religionen“, die einem Religionssoziologen, hätte er mitgeschrieben, monatelanges Literaturstudium erspart hätte. In tiefster Finsternis suchen wir mit Petroleumlampen unsere Hütte auf für eine Nacht am Rande des Dschungels, in dem ein Riesenorchester aus allem möglichen Kleingetier ein lautstarkes Konzert veranstaltet.

Der vollständige Text befindet sich auf der Seite IX Reisetagebuch Malaysia 1985

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