Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies – Tagebuch einer Rucksackfamilienreise durch Malaysia – Teil 1

Der vollständige Text befindet sich auf der Seite IX Reisetagebuch Malaysia 1985 

Singapur   20.3.1985

Was tun? Wir haben uns in Singapur getroffen. Judi und die Kinder sind aus Australien gekommen, ich selbst aus Europa. Aber der Plan, gemeinsam nach Bali zu fahren, hat sich zerschlagen. Die Flugreise für fünf Personen sprengt entgegen den Erwartungen das Familienbudget. Jetzt lässt die geographische Lage Singapurs am Ende einer zweitausend Kilometer langen Halbinsel nur noch eine Möglichkeit – nach Norden zu reisen. Also Malaysia. Es gibt nicht viel zu überlegen. Das schwere Gepäck bleibt in unserem chinesischen Hotel in der Altstadt von Singapur. Jeder bekommt einen kleinen Rucksack. Noch einmal Duschen mit Hilfe von Blechbüchsen im Hotel, Essen in dem kleinen Restaurant, das sich in seinem Untergeschoß befindet. Wo fährt der Bus nach Malaysia ab? Gleich um die Ecke! Dann also los: Familie mit kleinen Kindern, 6, 7 und 9 Jahre alt, auf Entdeckungsreise in Südostasien, kein Plan, kein Ziel.

Wir wissen nichts über Malaysia. Erste Hinweise gibt es an der Grenze. Zwei freundliche junge Männer in einer winzigen Holzhütte, die offenbar das Tourist Office sein soll, empfehlen nach einem Blick auf unser spärliches Gepäck Tioman – also auf nach Tioman. Es soll eine Insel im südchinesischen Meer sein.

Der Bus endet gleich nach der Grenze. Taxifahrer und Geldwechsler umlagern uns. Aber man muß die ersten Angebote abwehren. Wir laufen den kurzen Weg zum Grenzort Jahor-Baharu. Gut warm ist es. Eine Dusche wäre fällig. Obwohl es erst früher Nachmittag ist, fährt der nächste Bus, wie sich an der Busstation herausstellt, nicht vor dem nächsten Morgen. Das ist nicht mehr die brodelnde Millionenstadt Singapur. Die Dinge gehen hier einen gemächlicheren Gang.

Die Vorstellung, den restlichen Tag und die Nacht in J-B, wie die Einheimischen sagen, zu verbringen, einem Grenzkaff ein paar Kilometer von Singapur, klingt nicht gerade nach Abenteuer. Also treten wir dem Gedanken näher, ein Taxi nach Mersing, das immerhin 200 Kilometer entfernt ist, zu nehmen. Die Entscheidung wird uns dadurch erleichtert, dass es jetzt nur noch die Hälfte von dem kostet, was 500 Meter weiter, an der Grenze, verlangt wurde (40 statt 80 DM).

Ein freundlicher Inder fährt uns durch endlose Plantagenlandschaften – Ölpalmen und Gummibäume in langen Reihen, immer im gleichen Abstand. Dann folgen vielversprechende Dschungelgebiete, Berge, auf denen Riesenbäume in den Himmel ragen, wodurch die dichtbewachsenen Kämme merkwürdig licht erscheinen. Einmal hält der Inder an, zum Kauf von Melonen und Kokusnüssen.

Unser Fahrer erzählt von seiner Familie und seinem Leben in Malaysia. Vor zwanzig Jahren ist er als junger Mann aus Indien eingewandert, um eine Inderin aus der gleichen Kaste zu heiraten. Dass er Indien verlassen habe, sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen, meint er. Gott froh sei er, diesem armen, überfüllten Land mit all seinem Elend, den einschnürenden Lebensregeln und seinem unberechenbaren Klima entkommen zu sein. In Malaysia habe er ein ausreichendes Einkommen, besitze ein eigenes Haus in Mersing und könne der Zukunft seiner drei Kinder mit großer Hoffnung entgegensehen. Malaysia sei überhaupt in allem das Gegenteil von Indien, wohlhabend, dünn besiedelt, reich an Bodenschätzen; es gebe Wasser im Überfluss und die Menschen könnten sich freier bewegen.

Unter diesen Lobpreisungen erreichen wir nach dreistündiger Fahrt Mersing. Unser Fahrer sucht uns sogar noch das Hotel. Was er uns zuerst ein Stück außerhalb der Stadt am Meer anbietet, ist zauberhaft, sieht aber nicht nach unserem Geldbeutel aus. Wir sind froh, dass kein Zimmer frei ist. Dann findet er uns ein kleines Hotel in der Stadt, das von einer chinesischen Familie be-trieben wird. Das Zimmer ist Teil der Wohnung, vor unserem Einzug haben darin noch die Kinder der Wirtsfamilie gespielt. Jetzt werfen sie den blonden Neuankömmlingen neugierige Blicke nach.

Wir brechen zur Stadtbesichtigung auf. Mersing ist ein freundliches Provinznest mit einer Moschee, einem indischen und einem chinesischen Tempel und allen sonstigen Einrichtungen, die für die drei Hauptreligionen dieses Landes erforderlich sind. Wir machen einen nächtlichen Spaziergang zum Bootshafen, der sich in der Flussmündung befindet, und hören uns um nach Travellers-Informationen für die Reise nach Tioman. Nach dem Essen in einem Restaurant, das reichlich zu scharf geraten war, gehen die Kinder ins Bett; die Erwachsenen nach einem weiteren Bummel durch die schon ausgestorbene Stadt. Morgen werden wir endgültig festes Land verlassen.

Der vollständige Text befindet sich auf der Seite IX Reisetagebuch Malaysia 1985 

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