Briefe aus der Wendezeit – Teil 9

Berlin angefangen am 23.01.91 und dann oft und lange unterbrochen (aber Du bist in letzter Zeit ja auch nicht mehr mit dem Schreibelan der Revolutionszeit versehen)

 

Lieber Klaus!

 

It’s Saurier-time. Der jüngste Golfkrieg ist nun eine Woche alt und macht, daß man die deutschen Probleme wieder deutlich als das erkennt, was sie sind: Harmlos – zum Glück! Bei uns geht’s nicht ans Leben, nur ein wenig ans Portemonnaie. Und ans ach so empfindliche (deutsche) Gemüt,   natürlich.

 

Die Medien bieten rund um die Uhr ein erschöpfendes Gemisch von fast allem, was sich im Zusammenhang mit diesem (nicht erklärten) Krieg sagen und zeigen läßt und so könnte ich mir eigentlich die Mühe sparen, noch originelle eigene Wertungen und Ansichten zu entwickeln. Dennoch kommt mir ein Aspekt – insbesondere in den Medien West – entschieden zu kurz, wahrscheinlich liegt es daran, daß sich die (westliche) Welt schon in erschreckendem Maße daran gewöhnt hat:

 

Was als „Sadam Hussein gegen Freiheit und Demokratie“ (oder umgekehrt) begonnen hatte, ist nun ein Fall „USA/Irak“ geworden und bringt damit eine im Grunde gerechte Sache bei den Völkern der 3. Welt unnötig in Mißkredit. Wieder einmal posieren die USA in ihrer angemaßten Rolle als Gralshüter aller Werte der Zivilisation und Europa tut so, als müßte das so sein, hat sich ein sinn- weil chancenloses Ultimatum aufschwatzen lassen und kratzt nun maulend die Groschen zusammen, um den Irrsinn zu bezahlen. Einzig ein paar tausend Pazifisten treten dagegen auf, mit untauglichen apeacement-Flausen, die noch nie einen Diktator gebremst haben – genausowenig wie Bombenteppiche.

 

Wahrscheinlich hat es sich noch nicht ausreichend herumgesprochen, daß jeder, der gegen eine Großmacht antritt, den Nymbus des Märtyrers im Tornister trägt, und gerade deshalb die Großen dieser Welt allen Grund haben, übervorsichtig zu agieren. Auch die Deutschen haben allen Grund dazu. Man nimmt uns noch immer gern übel, was dem Rest der Welt ohne weiteres erlaubt ist, und damit müssen wir wohl noch eine Weile (?) leben[1].

 

Dabei wäre alles ganz einfach: Keine Waffenexporte in die Dritte Welt, und die Kriege dort fänden mit dem Krummsäbel statt…  Aber dazu ist nun wirklich an anderer Stelle schon alles gesagt worden (mit Ausnahme der Antwort auf die Frage, womit der Norden dann sein Öl bezahlen soll. Aber die Japaner schaffen das ja auch irgendwie).

 

Immer wenn die Diktatoren dieser Welt zuschlagen, stehen die Demokraten mehr (falls) oder weniger (falls nicht) ergriffen (betroffen) dabei und staunen. Viele werden sich ihrer Ohnmacht wieder einmal so richtig bewußt und beten, andere wünschen sich sehr heftig einen eigenen Diktator (möglichst einen, den man auch wieder abwählen kann) und allen gemeinsam ist das Empfinden, vor einem Phänomen zu stehen.

 

Offenbar fällt es nach einer langen Phase der Demokratie ungeheuer schwer, sich wirklich in die Mechanismen einer Diktatur hineinzudenken. (Ich bin da ausgesprochen im Vorteil) Das gefährlichste dabei ist diese sagenhaft dumme Überzeugung, das demokratische Politsystem wäre eine Art Belohnung für kluge und fleißige Völker und die anderen wären wohl irgendwie immer auch selbst schuld an ihrer Unterdrückung. Nun ist da leider auf den ersten flüchtigen Blick oft auch etwas dran und in nullter Näherung (und über lange Zeit gesehen) hat wohl tatsächlich „jedes Volk die Regierung, die es verdient“. Nur gibt es ein ungeheuer breites Spektrum zwischen dem aktiven Installieren oder Erleiden, dem Abfinden bzw. (Er)dulden und dem Abschütteln eines Zwangsregimes. Hier scheint mir der Knackpunkt des Irrtums zu liegen, in den all jene nur allzu gern verfallen, die von vornherein davon verschont wurden.

 

(Ich habe vor einigen Jahren im Fernsehen ein Interview mit US-amerikanischen Oberschülern gesehen, die vor der Berliner Mauer standen und alle Eide schworen, in den USA würde jede Regierung selbstverständlich sofort aus dem Amt gejagt, die so etwas bauen würde… Heilige Einfalt!)

 

Eine gehörige Portion dieser Ansicht kommt besonders jetzt immer mal wieder mit ‚RÜBER. Dabei ist gerade ein geteiltes Volk das in verschiedenen Systemen lebt(e) der beste Gegenbeweis, es sei denn, man unterstellt, daß ausgerechnet die Mentalität von Thüringern und Sachsen einem autoritären System mehr Vorschub leistet als die von Bayern und Rheinländern (die im übrigen wenige Jahre zuvor ihrem Adolf auch nicht gerade verhalten zugetan waren), oder daß in Vietnam und Korea irgendein willkürlich festgelegter Breitengrad in wunderbarer Weise die Völker dort in „demokratiefähige“ und „diktaturempfängliche“ trennt.

 

Bleibt dennoch die Frage, ob es irgendetwas gibt, das die These, mit Völkern könne man eben alles machen, in Frage stellt? Ich für meinen Teil fürchte: Nein. So jammerschade es auch sein mag. Einzige Hoffnung ist vielleicht, daß die Geschichte immer wieder gezeigt hat, daß stets alle Diktaturen früher oder später irgendwie „abgewirtschaftet“ hatten bzw. am eigenen Größenwahn erstickt sind. Aber dabei ging natürlich auch immer wieder nicht nur ein System vor die Hunde, sondern Völker und Volkswirtschaften gleich mit. Dieser zwanghafte Hang, sich in kritischen Situationen unter die Fittiche einer starken Autorität zu flüchten ist jedenfalls nicht totzukriegen. Und gerechterweise muß man zugeben, daß es zum einen immer auch durchaus eine ganze Reihe Argumente dafür gibt, und daß zum anderen das diktatorische Grundprinzip die damit verbundenen Hoffnungen der Diktierten oft auch erfüllt hat. Es gibt halt immer wieder Zeiten, in denen eine straffe Hand als das kleinere Übel erscheint – gegenüber endlosem Parteienpalaver.

 

Übrigens scheint mir das autoritäre Prinzip keinesfalls scharf abgegrenzt gegenüber dem demokratischen. In den meisten Fällen wird ja auf demokratische Weise eine Art „Diktatur auf Zeit“ gewählt, auf deren konkrete Politik der eigentliche „Souverän“ dann kaum noch Einfluß hat (jedenfalls nicht, solange die nächsten Wahlen noch in weiter Ferne sind). Daher wohl auch immer wieder die (wie in Deutschland) ursprünglich sogar gewählten Diktatoren, denn längst nicht alle haben sich ja an die Macht putschen müssen.

 

Aber zurück zur „Diktatur auf Zeit“: Imponierend für mich in diesem Sinne die Briten. Sie haben in kritischer Zeit einen Winston Churchill auf den Schild gehoben, sich jahrelang seinem eisernen Willen untergeordnet – und nach dem Sieg bar irgendwelcher sentimentalen Dankbarkeitsgefühle keine Sekunde gezögert, ihn wieder in die Reihe zu stellen (und er hat sich da auch widerspruchslos wieder hinstellen lassen). Ein großes Volk, das die hohe Schule der Demokratie schon lange und souverän praktiziert!

 

In einem Präsidialsystem, in dem einem einzelnen Mann bewußt eine ungeheure Machtfülle anvertraut wird, wiederholt sich m.E. dieses Prinzip leider auch außerhalb kritischer Zeiten. Die USA sind da ein sehr anschauliches Beispiel. Was unterscheidet – bis auf die begrenzte Amtszeit natürlich – einen US-amerikanischen Präsidenten von einem europäischen Monarchen der Jahrhundertwende? Die Parallelen gehen bis zu den Lächerlichkeiten der Etikette. Wenn in Washington irgendein Lakai ausruft:

 

„Ladies and Gentlemen – the president of the United States!“, kann ich keinen rechten Unterschied zu „Meine Damen und Herren – seine Majestät, der Kaiser!“ erkennen. Die „first lady“ und der Vizepräsident sind so überflüssige Figuren wie Kaiserin und Kronprinz usw.

 

Da lobe ich mir doch die „richtigen“ Herrscherhäuser. Das Volk hat seinen Spaß und seine Tradition und hier und da rettet auch mal ein König wie Juan Carlos die Demokratie…

 

Aber zurück zu den Diktatoren. Ich fürchte sie sind integraler Bestandteil der menschlichen Zivilisation, denn sie sind ebenso alt. (Du wirst mit Deiner ordentlichen humanistischen Bildung sicher bessere Beispiele zusammenbringen, als ich mit meiner polytechnischen von Margots Gnaden. Ich versage mir deshalb an dieser Stelle den Versuch, in die Antike auszuschweifen.)

 

Offenbar gibt es etwas in unseren äffischen Verhaltensmustern, das uns nie so richtig von dem Drang nach Unterordnung unter einen Leitaffen frei werden läßt. Spätestens wenn die Bananen knapp werden, keimt in uns der Wunsch nach einem Obergorilla, der uns zu neuen Stauden führt.

 

Für mich ist diese Problematik nur wenig faßbar (trotz oder gerade wegen der eigenen unmittelbaren Erfahrung) und mir ist auch noch nichts wirklich wissenschaftliches in die Hände gekommen, das über die Beschreibung der Merkmale hinaus eine brauchbare Analyse liefert. (Vielleicht kannst Du mir etwas empfehlen?)

 

Apropos empfehlen: Ich habe jetzt die Bücher „Der Sturz“ (Honecker-Interviews ’90) und „Denk‘ ich an Deutschland“ beim Wickel. Mit dem „Sturz“ bin ich fertig und ich kann ihn nur empfehlen. Redaktionell ist das Buch zwar von einer wirklich beispiellosen Stümperhaftigkeit – ein Laie und ein Amateur interviewen da offenbar ohne klares Konzept und teilweise deutlich unter dem Niveau von Schülerzeitungsredakteuren, aber vielleicht waren sie durch diese Art journalistischer Harmlosigkeit für die Honeckers überhaupt erst akzeptabel. Wie und was der Mann (und seine Frau) da aber an Plattheiten zusammenstottern, ist schon irgendwie lesens- auf alle Fälle aber für die Enkel aufbewahrenswert.

 

Besonders pikant die Tatsache, daß sich die „wissenschaftliche Weltanschauung“ des Ehepaar Honecker offenbar in zwei, drei Floskeln aus der Sekundärliteratur erschöpft. Ich hatte schon immer das Gefühl, daß die Mehrzahl der Politbüromitglieder mit dem „Kapital“ von Marx gründlich überfordert gewesen wäre (und sich deshalb gar nicht erst damit befaßt hat).

 

Zum guten Schluß noch ein paar postspezifische und damit persönliche News. Die Bundespost ist in diesen Tagen gerade dabei, die ehemaligen Stasi-Leute fristlos zu entlassen. Nach der Auflösung des „Amtes für nationale Sicherheit“ vor einem Jahr hatte die Modrow-Regierung viele von ihnen – genau wie die Mitarbeiter aufgelöster Ministerien u.a. – im Öffentlichen Dienst untergebracht. Dort waren jahrzehntelang viele Stellen unbesetzt geblieben, Arbeit gab es in den Postämtern genug (bis heute), und es waren schließlich nicht die faulsten und dümmsten bei Mielke gewesen. Außerdem hatten sie eine hervorragende Disziplin und muckten nicht.

 

Jetzt wird also wieder Platz und ich überlege, ob es nicht sinnvoll ist, sich mit irgendeinem Posten in einem Briefverteilamt zu bescheiden, anstatt auf die „große Chance“ zu warten. Unsere Bude macht spätestens Ende ’92 zu… Allerdings bin ich nach einem halben Jahr Marktwirtschaft und trotz der Perspektive einer Arbeitslosenrate von 25% von der Wohlstandsgesellschaft doch schon so angekratzt, daß ich mich im gehobenen Dienst als zu billig verkauft empfinde[2]

 

Also habe ich mir ein Buch zugelegt („Bewerben mit Erfolg“) und daraus gelernt, daß man seine Unterlagen in Klarsichtfolien stecken muß und wie wichtig ein sympathisches Farbfoto sein kann. Mit solcherart know-how und einem neuen Anzug ausgerüstet biete ich mich auf dem Arbeitsmarkt feil, pflege ängstlich mein Selbstbewußtsein und glaube ehrlich daran, daß ich früher oder später meiner Chance begegnen werde… Ich halte Dich auf dem laufenden.

 

Schreib mal wieder, Grüße an Judy und die Kinder (auch von Paula und den Kindern)

 

Dein Frank

 


Stuttgart, 10.2.1991

 

Lieber Frank,

 

mein revolutionärer Schreibelan ist tatsächlich etwas erlahmt. Deutschland, um daß sich doch vor kurzer Zeit die Welt zu drehen schien, ist in den letzten Wochen in den Hintergrund getreten, bei mir und im allgemeinen. Erst jetzt, wo der Golfkrieg zur Routine zu werden droht, treten die immensen, wenn auch, wie Du zu Recht bemerkst, vergleichsweise bescheidenen Probleme des vereinten Landes wieder in den Vordergrund. Doch dazu später.

 

Erlahmt ist aber nicht mein Schreibelan überhaupt. Ich habe mich, einem tiefsitzendem Hang folgend, wieder einmal eher unpolitischen Dingen zugewandt. Längst hättest Du ein geschriebenes Lebenszeichen von mir bekommen, wenn ich nicht den Ehrgeiz gehabt hätte, Dir ein fertiges Manuskript zuzusenden. Aber so etwas geht – ich hätte es wissen sollen – immer länger, als geplant. Ursprünglich hatte ich mir Weihnachten als Termin gesetzt, dann aber passierte der Daten-GAU. Ich löschte versehentlich ein Drittel meines Textes in der Wunderkiste (darunter verstehe ich das Gerät, das mir jetzt so allerhand Schreibereien ermöglicht, über das ich mich aber gelegentlich nur wundern kann.) Und so kam ich terminlich vollständig ins Schleudern. Nun ist das Opus fertig und ich hoffe, daß es Dich für die lange Durststrecke etwas entschädigt.

 

Das Werkchen betrifft unsere Familienreise nach Malaysia im Jahre 1985, wenige Monate bevor ein weiser und sehr langfristig disponierender Zufall zwei Schreibenthusiasten am Plattensee zusammenführte, die sich ihre Leidenschaft nicht eingestehen wollten, wiewohl jeder sie wohl auch dem anderen zutraute. Daß ich Dir heute ein solches Reisewerk zusenden kann, hat sehr viel mit den inzwischen eingetretenen Veränderungen in Deutschland zu tun. Vor der Maueröffnung hätte ich es Dir nicht übersandt. Übrigens mußt Du dabei politisch nicht vollständig darben. Du wirst darin ein paar bekannte Problemstellungen wiederfinden, von der Ziel- und Paradiesdiskussion über den Kolonialismus bis zum Oberaffen, den Du in Deinem soeben hier eingegangenen Brief vom 23.1. erwähnst.

 

Nun aber zur Welt und Seelenlage. Wie weit sind wir heute von der Stimmung entfernt, die sich in meinem Silvesterbrief von 1989 widerspiegelt; wie weit selbst von der Stimmung, die noch zu Zeiten meines letzten Briefes herrschte. Welch‘ merkwürdige Farben hat das Bild Gorbatschows inzwischen erhalten. Die vor noch gar nicht langer Zeit verbreitet gewesene Überzeugung, unter vernünftigen Leuten lasse sich doch mehr oder weniger Alles gewaltfrei lösen – sie war eines der aufregendsten und hoffnungsvollsten „Ergebnisse“ Eurer Revolution – hat harte Prüfungen durchmachen müssen.(Ein Glück, daß ich in dem genannten Silversterbrief eine internationale Streitmacht für Hussein-Fälle vorgesehen hatte; womit ich nicht sagen will, daß ich den Zeitpunkt für ihren Einsatz gutheiße.) Geradezu aberwitzig erscheint die Tatsache, daß man ausgerechnet den Deutschen neuerdings mangelnde Kriegslust vorwirft; und daß manche unserer Politiker glauben, sich dafür schämen zu müssen und nun tausend teure Entschuldigungen dafür vorbringen, weil sie die Kriegstrommel nicht rechtzeitig geschlagen haben. Auch angesichts eines Sadam Hussein denke ich, daß es einem Volk wie dem Deutschen nicht schlecht ansteht, in Sachen Krieg „unsicher“ zu sein, selbst wenn es nicht sehr realpolitisch gedacht sein mag. (Das ändert nichts an meiner Zustimmung zu Deiner Meinung, daß die deutsche Schuld nur begrenzt vererbbar sein kann.) Es macht natürlich wenig Sinn, die mangelnde deutsche Kriegslust mit der Erfahrung von Auschwitz begründen zu wollen, wie dies jetzt gelegentlich geschieht. Denn Auschwitz hätte ohne die Bereitschaft (der damaligen Alliierten) zum Krieg kein Ende gefunden. Dennoch wäre es sehr merkwürdig, wenn die Deutschen mit dem Krieg ebenso unbefangen umgehen würden, wie diejenigen, die ihn gegen den deutschen Wahnsinn geführt (und gewonnen) haben.

 

Nach der außenpolitischen Nabelschau ist seit einigen Tagen wieder das vereinte Deutschland im Gespräch. Plötzlich und scheinbar überrascht stellt man fest, daß man beim Zusammenführen der beiden Staaten einen wahren Scherbenhaufen angerichtet hat. Dabei ist es so verwunderlich nicht. Es liegt ja nicht gerade fern, daß einer (sozialistischen) Volkswirtschaft die Luft ausgeht, wenn man ihr gleichzeitig von Osten (durch Abschneiden der Märkte) und von Westen (durch Konfrontation mit dem Weltmarkt) den Hals zudrückt. Nachdem die Ostwirtschaft jetzt bedrohlich schnauft, heißt es, die Folgen von 40 Jahren Mißwirtschaft könnten eben nicht so schnell überwunden werden. Ich fürchte aber, daß die gefährliche Atemnot zu einem erheblichen Teil die Folge einer dilettantischen Überleitungspolitik ist.

 

Man hat seinerzeit die unziemliche Eile bei der wirtschaftlichen Vereinigung (die politische steht auf einem anderen Blatt) damit begründet, nur durch schnelles Herbeiführen der doch so leistungsstarken Marktwirtschaft könne man verhindern, daß die Leute aus dem Osten weglaufen. Das Ergebnis ist, daß die Übel jetzt potenziert sind. Die Leute laufen weiterhin davon (es wird nur nicht mehr soviel gezählt) und die Ostwirtschaft kann aus eigener Kraft nicht einmal die Grundbedürfnisse befriedigen, mit der sogar die sozialistische Wirtschaftsordnung keine Probleme hatte. Die großen Lenker der Marktwirtschaft scheinen sich nicht so recht darüber im Klaren darüber gewesen zu sein, wie der Kapitalismus funktioniert. Der Niedergang des Sozialismus hat eine allgemeine Begeisterung über die Überlegenheit des Kapitalismus ausgelöst und den Glauben verbreitet, man könne das kommunistische Chaos unter Einsatz der Portokasse allein kraft der Eigendynamik der Marktwirtschaft aufräumen: Helmut als Herkules, der den DM-Strom durch den sozialistischen Saustall leitet und ihn mit einem Schlage ausmistet. Leider haben die großen Strategen dabei übersehen, daß das Funktionieren der Marktwirtschaft von einigen nicht ganz unkomplizierten Vorraussetzungen abhängt. Dazu gehören nicht nur so scheinbar banale Dinge wie Telefonverbindungen und Grundbuchämter, sondern überhaupt ein funktionierender öffentlicher Dienst. Diese Voraussetzungen sind hier so sehr zur Gewohnheit geworden, daß man nicht mehr viel darüber nachdenkt. Und so hat man nicht nur vergessen, daß sie hier erst in jahrelanger Aufbauarbeit entstanden sind, sondern auch daß sie hochentwickelt und äußerst spezialisiert sind. Und das heißt, daß sie drüben nicht einfach aus dem Boden gestampft werden können. So lange diese Vorraussetzungen aber nicht vorliegen, kann ein marktwirtschaftliches Wirtschaftsmodell bei den gegebenen Konkurrenzverhältnissen nicht arbeiten. Die Marktwirtschaft ist eben kein Naturereignis, das sich seinen Weg bricht, wenn man sie nur laufen lässt. Sie ist ein höchst artifizielles Gleichgewicht, das, wie ein Blick in die Welt zeigt, nur in besonders glücklichen Einzelfällen zufriedenstellend funktioniert.

 

So hat die überstürzte Einigungspolitik gewissermaßen die negative Quadratur des Kreises erreicht. Man hatte die Wahl zwischen einer behutsamen Rehabilitation des lungenschwachen Wirtschaftspatienten DDR (was vorrübergehend eine getrennte Führung der beiden Wirtschaftsgebiete bedeutet hätte) und einer Schocktherapie durch sofortige Einigung. Man hat die Schocktherapie gewählt, den Patienten getötet und die Zweiteilung vertieft, ohne sie zu nutzen. Deutschland ist noch lange kein einig Vaterland. Gewöhnt hat man sich an die fülligere Wetterkarte. Auch Katrin Krabbe sollte der ganzen Nation zur Verfügung stehen. Die Vorstellung, daß Lokomotive Leipzig in der Bundesliga spielt, ist schon etwas schwieriger. Die Wirtschaft aber teilt das Land, wie könnte es anders sein, in zwei klare Hälften. Hätte man die Tatsache offen akzeptiert, so wäre der Weg dafür frei geworden, den Osten kontrolliert in das neue Wirtschaftssystem zu überführen. Das hätte freilich einige Einschränkungen zur Folge gehabt, die zu fordern damals keiner den Mut hatte (meine Briefe hat ja niemand gelesen!). Wie man jetzt aus dem Schlamassel wieder herauskommt, weiß ich auch nicht. Will man den Zusammenhang von Lohnentwicklung und Produktivität erhalten, braucht man zwei Wirtschaftsgebiete. Tut man es, laufen die guten Leute in den Westen über (Beispiel: ein gewisser Postler aus Ostberlin). Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, daß die Lösung darin liegt, die Ostlöhne alsbald auf westliches Niveau zu heben. Das hieße den Patienten an einen Tropf hängen, in dem dazu noch das falsche Medikament ist. Denn damit würde der o.g. Zusammenhang zwischen Löhnen und Produktivität, der doch eines der marktwirtschaftlichen Grundgesetze ist, aufgehoben, ganz abgesehen davon, daß ich nicht weiß, wie solche rein konsumtive Ausgaben auf Dauer finanziert werden sollen. Möglich wäre es ohnehin nur, wenn der Staat eine die Wirtschaft dominierende Rolle übernähme, die der im real existent gewesenen Sozialismus verdächtig nahe käme, mit den bekannten Folgen.

 

Dann ist da noch das Problem Berlin, das durch seine Querlage auch noch erhebliche Schmerzen im deutschen Magen erzeugt. Ich fürchte, es wird einfach ein ziemlich unsystematisches Herumkurieren geben. Wir werden wohl Gelegenheit bekommen, uns in einigen „Tugenden“ zu üben, die uns Deutschen nicht angeboren sein sollen. Sicher ist nur, daß es eine teure Angelegenheit wird.

 

Noch ein paar Worte zum Vorrang hautnaher Probleme vor hehreren Gedanken und dem daraus resultierenden Hang zur Diktatur. Den Hang der Völker hierzu will und kann ich nicht bezweifeln. Interessant erscheint mir nur die Frage, unter welchen Umständen dieser Hang zum Tragen kommt, m.a.W. was Diktaturen mehr oder weniger wahrscheinlich macht. Ohne Zweifel hängt dies nicht von Breiten- oder Längengraden ab. Der entscheidende Faktor scheint mir, ohne daß ich hemmende Institutionen verachten will, eine demokratische Tradition zu sein. Deshalb ist es für mich nicht verwunderlich, daß die Briten ihren Churchill so leicht wieder losgeworden sind. Es sind die gleichen Gründe, die es verhindert haben, daß die Schweiz niemals einen Diktator hatte. Ich fürchte, daß man an den Vereinigten Staaten als einem Hauptbeispiel für die Wichtigkeit einer solchen Tradition nicht vorbeikommt. Ich habe schon in einem früheren Brief erwähnt, in welchem Ausmaß demokratisches Gedankengut gerade die amerikanische Gesellschaft beherrscht, bis hin zu nicht gerade pragmatisch erscheinenden Regelungen wie dem demokratischen Luxus von 50 verschiedenen Rechtsordnungen. Auch die Stellung des amerikanischen Präsidenten hat nach meiner Auffassung wenig mit Diktatur zu tun. Sicher, er hat eine starke Stellung. Aber durch ein äußerst komplexes System von checks and balances ist diese Macht in das Ganze des Systems eingebunden und nach allen Seiten begrenzt. Von den tagelangen bis in die Privatsphäre gehenden Befragungen, die ein vom Präsident gewünschter Minister oder oberster Richter über sich ergehen lassen muß, können wir nur träumen. Ich verkneife mir hier, auf weitere Einzelheiten einzugehen, zumal ich nicht damit rechne, Dich brieflich überzeugen zu können. Ich mußte mich auch erst vor Ort davon überzeugen, daß Amerika nicht meinen Vorurteilen entsprach. Ich denke, Du mußt bald mal über den großen Teich, was schon deswegen zu empfehlen ist, weil Du Dir angesichts der harten DM dabei das Vergnügen leisten kannst, den Überlegenheitstraum des ehemaligen DDR-Bürgers (Dein Brief vom 13.11) gerade gegenüber dem alten Klassenfeind zu verwirklichen.

 

Gruß für heute

 

Hier noch ein paar Personalnachrichten: Vor ein paar Wochen habe auch ich meinen Job gewechselt. Mittlerweile bin ich Richter am Landgericht in Stuttgart und beschäftige mich mit Bankräubern und Rauschgiftlern, eine nicht uninteressante und nicht zuletzt weniger strapaziöse Abwechslung. Am Tag meines Amtswechsels hat sich Judi auf die andere Seite des Erdballes begeben, von wo sie, so Sadam Hussein will, in der kommenden Woche zurückkommen wird. Unter dem Vorwand, ihre Verwandtschaft in Australien zu besuchen, hat sie sich, eine alte Rechnung mit mir begleichend, u.a. eine Woche in Bali herumgetrieben (die Fortsetzung meines Malaysia-Büchleins wird sich mit meinen anschließenden Erlebnissen in Bali ohne Familie befassen, die Judi jetzt nachgeholt hat.) Und dann winkt noch die Aussicht, daß ich mich in absehbarer Zeit ein Jahr lang als Besserwissie in Sachsen betätigen könnte (entschieden ist noch nichts). Reichlich spät hat man jetzt bemerkt, daß auch die Rechtspflege dort zusammenbricht, wenn nicht alsbald Hilfe kommt. Auch das gehört in das Kapitel Überleitungsdilettantismus.

 

Das Malaysia – Manuskript bekommst Du, da ich Deinen Brötchengeber nicht unnötig mästen will, mit gesonderter Post – ein kleines Beispiel des Vorrangs der Ökonomie vor höheren Gefühlen.

 

Gruss

 

Klaus


Berlin 26.3.1991

 

Lieber Klaus!

Vielen Dank für Deinen Brief vom 10.02.91. Er hat große Freude bei mir ausgelöst, ein echtes Geburtstagsgeschenk. Ich war regelrecht euphorisch, mal wieder etwas von Dir zu hören und auch sonst irgendwie… Du kannst getrost für Dich verbuchen, daß mir Deine Briefe (und meine Antworten) inzwischen ein schier unverzichtbarer Teil meines (politmoralischen?) Seelenlebens geworden sind. Wahrscheinlich bin ich als visueller Typ für mein Wohlbefinden auf die Möglichkeit angewiesen, meine Gedanken schriftlich zu ordnen. Und zu ordnen gibt es immer noch eine Menge.

In diesem Sinne hier also gleich der nächste Brief, in ungewohntem Tempo. Mein Minister erhöht ab Ostern das Porto und redlich bemüht, ein pfiffiger Bundesbürger zu werden, lasse ich selbstverständlich die Gelegenheit, noch schnell 50 Pf zu sparen, nicht aus.

 

Seit voriger Woche drehen die Ossis nun wieder ihre Runden. Zumindest beim zweiten Mal scheint es auch im Westen ausreichenden Eindruck gemacht zu haben, denn das ZDF berichtete letzten Montag an erster Stelle darüber, und so wird es in Leipzig sicher nicht die letzte „Montags-Demo“ gewesen sein.

Der kleine Ableger in Berlin nimmt sich übrigens gegen die 80.000 Leipziger vergleichsweise harmlos aus, wenn auch die von der (alten Volks-) Polizei angegebenen Zahlen regelmäßig etwa die Hälfte der Teilnehmer unterschlagen (Wir haben von unserem Fenster aus in den letzten 18 Monaten ein recht gutes Augenmaß für so etwas entwickelt).

 

Die Tatsache, daß die PDS-Hochburg Berlin mit Leipzig nicht so recht mithalten kann, zeigt andererseits m.E. sehr deutlich, daß es bei dieser neuen Demowelle (und nicht nur im Sachsenland) den meisten vor allem um die ganz profanen Bedürfnisse und weniger um die große Politik oder gar um die Moral geht – wie schon im Herbst ’89.

 

Viel ist denn die Rede von Betrug und Enttäuschung und unser aller Bundeskanzler, der vor einem Jahr noch so heftig beklatschte und vor 3 Monaten – auch und gerade von den Ossis, wohlgemerkt – noch so heftig gewählte, muß hier nun fürchterliche Schelte einstecken, weil immer noch kein Manna vom Osthimmel regnet. Na sowas!

 

Mich hat er nicht enttäuscht, im Gegenteil. Meine Erwartungen an die Gebefreude der Bundesregierung waren ausgesprochen harmlos, denn erstens bin ich (in dieser Beziehung) kein Phantast und zweitens muß mir der neue Landesvater Kohl nicht unbedingt was schenken, denn vom alten Landesvater Honni bin ich nicht verwöhnt. Trotzdem sind wir dem Herrn Kohl wahrscheinlich dennoch in einem Punkt zu großem Dank verpflichtet und spätere Generationen werden dies vielleicht und hoffentlich auch zu schätzen wissen: Man kann zu dem Mann ja stehen wie man will, ihm Fingerspitzengefühl oder sogar den Intellekt absprechen, aber wohl kaum seinen schier übersinnlichen politischen Instinkt. Bei nüchterner Überlegung muß man ihm zugestehen, daß er mit seinem elefantenhaften Charme vielleicht das einzige schmale Zeitfenster für die Deutsche Einheit genutzt hat, das sich in diesem Jahrtausend noch für einige Monate auftat. Noch ehe die alten Alliierten eine Idee hatten, wie man der weltweiten Vereinigungseuphorie vorsichtig entgegentreten könnte, stapfte unser Bundeskanzler auf das diplomatische Parkett, schubste seinen Außenminister zur Seite, pappte den Erstarrten ein paar Milliarden an die Stirn und verschwand – mit der DDR unterm Arm. Hoch Helmut!

 

Der Vorwurf zugelassen zu haben, daß unser Einig Vaterland nun doch „zusammengewuchert“ ist, wie unser Bundespräsident vor einem Jahr befürchtet hatte, mit allen zunächst wirtschaftlichen, später sozialen und danach politischen Problemen, diesen Vorwurf kann man der Regierung Kohl natürlich machen. Aber auch Du schreibst ja, daß Du keinen konkreten Weg siehst, „wie man aus dem Schlamassel wieder herauskommt“. Ein bißchen schwanger geht eben nicht, und insofern ist der Crash-Kurs vielleicht gar nicht der schlechteste (und wir Deutschen sind vielleicht auch eines der wenigen Völker, dem man so etwas zumuten kann). Schließlich kann man nach ein paar Monaten noch keine Wunder erhoffen, wenn sich auch – wie zu erwarten – herausstellt, daß allzuviele hier solchem Glauben angehangen haben, die Armen (Idioten).

 

Sicher, das beste wäre gewesen, 200 kluge Köpfe für ein Jahr in Klausur zu schicken und dann nach einem mit deutscher Gründlichkeit perfekt ausgearbeiteten Einigungsfahrplan zu verfahren, aber es war eben keine Zeit dazu – sowohl wegen des Zeitfensters als auch wegen des Drucks der nun mal gefallenen Mauer. Es muß eben auch anderers gehen und wir sind ja eigentlich auch nicht schlecht im Improvisieren.

 

Eine Hauptursache dafür, daß dennoch mehr schief geht als nötig, sehe ich darin, daß vor etwa einem Jahr die damals sicher noch breit vorhandene (oder?) Solidarbereitschaft der Wessis durch diese (ausgerechnet von der SPD angezettelte) Finanzierungsdiskussion verspielt wurde.

 

Plötzlich rechnete alles wie blöd mit irgendwelchen Milliarden und in den Augen von 60 Millionen Westdeutschen, die noch ein Jahr zuvor wenn schon nicht ihr letztes so doch wenigstens ihr zwölftes Hemd für die Einheit gegeben hätten, wandelte sich der arme Verwandte vor der Tür in einen Eindringling, der nicht bloß ein Obdach mit Hängematte aus sozialem Netz wollte, sondern gleich Anspruch auf den Lieblingssessel in der Guten Stube erhob. In Anbetracht dieser Ängste kam dann natürlich aus Westsicht nur noch der bedingungslose Anschluß in Frage und sind offenbar die meisten der jetzt (für beide Seiten der Elbe) so lästigen Einigungskrücken entstanden, immer unter dem Motto: Im Osten wird alles, aber auch alles umgekrempelt – und im Westen bleibt möglichst alles, aber auch alles wie es ist. Damit ist das zarte Pflänzlein eines gesamtdeutschen WIR-Gefühls zertreten. Schade.

 

Bleibt die Frage, ob die Wessis unter anderen Bedingungen wirklich bereit gewesen wären, wenigstens auf die überflüssigsten Teile ihres liebgewordenen Überflusses für eine Weile zu verzichten?

 

Nun gibt es natürlich löbliche Beispiele für echte Hilfsbereitschaft und wie es aussieht hast Du vielleicht selbst auch bald die Chance, hier Deine Furche der Rechtsstaatlichkeit in den sächsischen Acker zu setzen. Ich weiß nicht, ob man Dir dazu gratulieren soll, den Sachsen sicher. Auf alle Fälle kannst Du Dich auf eine hochinteressante Phase in Deiner Laufbahn freuen, die auf ihre Art sicher von besonderem Reiz ist und in ihrer Exotik Deiner Zeit in Indien kaum nachstehen wird.[3]

 

Ich für meinen Teil würde mich freuen, denn erstens erlebtest Du gewaltigen Diskussionsstoff und zweitens hätten wir auch viel leichter die Chance, diesen Stoff vis a vis zu verarbeiten.

 

Soweit für heute. Frohe Nachostern für Dich, für Judy und die Kinder und herzliche Geburstagsgrüße an Deine Töchter.


 

Berlin angefangen 21.4.1991

 

Lieber Klaus!

 

Soeben habe ich die Lektüre Deines „Sekolah Kebangdsaan“[4].beendet und bin beeindruckt, sowohl von Euren Erlebnissen[5].als auch von Deiner Art, darüber zu schreiben.

 

Insbesondere Landschaften und alles was damit zusammenhängt sind Deine Stärke. Man hat das Gefühl, im Moment des Lesens mit dabei zu sein. Der „innere Blick“ schweift gleichsam über Bergkuppen und Urwaldriesen…

 

Schön, wenn man so was kann und schade, daß man einem solchen Talent nur trockene (?) Fachbücher und Artikel über Spitzbuben druckt.

 

Ein Witz der Literaturgeschichte, aber vielleicht auch ganz bezeichnend, daß dieses Werk in Deutschland mit der Post länger unterwegs war und dabei mehr Federn lassen mußte als der Autor im Dschungel von Malaysia. (Ich hatte beim letzten Mal vergessen, den schon ausgeschnittenen Kouvertteil mit den beweisenden Stempeln beizulegen, was ich jetzt nachhole.)

 

Tja, die Post. Mit ihrem Gebührencoup hat sie wohl der CDU heute in Rheinland-Pfalz die letzten Prozente verdorben, und vielleicht stolpert am Ende sogar der Kanzlerallerdeutschen über die 2,30 DM. In der Zeitung stand übrigens die Schlagzeile „Telefonieren im Westen teurer – im Osten billiger!“ und dazu ein Text, aus dem man beim besten Willen nicht entnehmen konnte, daß wir für unsere miesen „Doppelanschlüsse“[6] immer noch mehr bezahlen als die Altbürger für ein ungeteiltes ordentliches Telefon. Der (vor allem westliche) Journalismus (ganz typischer Vertreter ist hier die Westberliner „Morgenpost“, die doch gerade den kürzesten Weg zu den Fakten haben sollte) macht überhaupt in jüngster Zeit des öfteren durch solche „kleinen Ungenauigkeiten“ eine recht eigenartige Stimmung, die den Ossi z.T. ziemlich erbost. Vor einiger Zeit war eine Grafik zu sehen, in der ein strahlender Ostrentner neben einem riesengroßen Geldstapel und dem Kommentar „Ostrenten +15%“ auf einen traurigen Westrentner herabblickt, der sich mit einem klitzekleinen Stapel und „Westrenten +5%“ begnügen muß.

 

Auf Schritt und Tritt immer noch(?) die große Angst vorm Teilen nach dem Ende der Teilung. Dabei zeigt eigentlich die Praxis der letzten Monate, daß der aktive (!) Griff der Ossis in die Westtaschen doch eher harmloser ausfällt als befürchtet. Immerhin begnügen sich die, welche hier noch in Arbeit und Brot sind, bei längerer Arbeitszeit mit Tarifabschlüssen deutlich unterhalb des Arbeitslosengeldes ihrer Westkollegen, und unsere Arbeitslosen, denen ja die Unterstützung noch auf der Basis ihrer alten Bezüge berechnet wird, sind meist mit Summen kleiner als der Sozialhilfesatz zufrieden. Das ist doch nett, oder?

 

Und wenn demnächst hier für viele das erste Arbeitslosenjahr herum ist, wird es noch netter. Trotzdem kommt natürlich der Osten teuer, wer wollte das bestreiten. Nur eben nicht wegen Tarifabschlüssen unterhalb von 60% (*)[7]

 

Die langtrainierte Bescheidenheit der Ossis kommt aber erstmal nur den Unternehmern zugute (wenn ich einmal großzügig vom Öffentlichen Dienst absehen darf, der jedoch so arm nicht sein kann, wenn er darüber nachdenkt, den abkommandierten Westbeamten mehr zuzulegen als die Ostbeamten insgesamt erhalten). Der Staat/Steuerzahler muß dagegen für seine Aufgabenflut im Osten (u.a. genau diesen Unternehmern) den mindestens vollen Preis zahlen und somit greifen wir Euch sozusagen ohne eigenes Zutun – quasi aus Versehen – in die Tasche, einfach aufgrund unserer objektiv gegebenen Misere, genau wie Kurden, Sowjets, die US-Army und andere Bedürftige.

 

Und genau diese Bedürftigkeit bzw. das Empfinden dieser Bedürftigkeit bewirkt eine arge Passivität. Elan habe ich in den letzten Monaten nur bei einem „ausgewanderten“ Bekannten erlebt, den wir zu Ostern in Schleswig-Holstein besucht haben. Ansonsten ist die Lähmung allgemein und geht in eine seltsam fatalistische Müdigkeit über, die mir verdammt bekannt vorkommt. Der Unterschied zur seligen DDR ist nur, daß man sich seinerzeit zwar damit abzufinden hatte, daß das Politbüro Obst erst für das nächste Quartal einkaufen würde, Autos nur für sich und Mikrowellen gar nicht, andererseits aber auch zu keinem Zeitpunkt die Gefahr bestand, unverschuldet die Arbeit zu verlieren [8].aus seinem heißgeliebten Schrebergarten vertrieben zu werden, oder gar aus der Wohnung zu fliegen.

Es bahnt sich hier eine Art kollektiver Masochismus an, der bei zarten Gemütern – und deren gibt es viele – bis zur absoluten Handlungsunfähigkeit und zu einem fast zwanghaften Dauerjammer führt. (Ich kann’s nicht mehr hören!) Die Medien tuen ein übriges und füllen Berge von Papier und Sendezeit mit immer neuen Hiobsbotschaften. Und wenn wirklich einmal etwas Positives gemeldet wird, ist es meist in die Rubrik „kleine Ungenauigkeiten“ einzuordnen, siehe oben. Aber vielleicht gibt es ja tatsächlich nichts Positives, Herr Kästner.

 

Die Passivität scheint sogar den Willen zum Protest endgültig überwuchert zu haben. Ich hatte gemeint, daß zumindest die Sorge um den ganz persönlichen Kleinkram die Leute wieder kräftig auf die Straßen bringen würde – offensichtlich ein Irrtum. Bei der großgeplanten IG-Metall-Demo vorige Woche rollten die angemieteten Sonderzüge halbleer in die Reichshauptstadt und anschließend füllten die Herangekarrten nicht mal den Kundgebungsplatz, sondern die Warenhäuser der Innenstadt. Typisch (Provinz-)Ossi. Seine größte Sorge ist immer noch die Beschaffung.

 

Neben der Gefahr einer Massenpsychose mit all ihren unkontrollierbaren Begleiterscheinungen besteht auf der anderen Seite zunehmend auch die, daß sich die Leute in der Krise einrichten, genauso wie sie sich in den alten Verhältnissen bis zum Herbst ’89 eingerichtet hatten, weil es damals wie heute keine Kraft gibt, die ihnen Kraft gibt, will sagen: Es ist niemand da, der ihren Kummer in irgendwelche konstruktiven Bahnen lenkt.

 

Im übrigen scheinen auch die sonst so breit engagierten unter den Altbürgern derzeit den Blick starr und unverrückbar nur aufs eigene Geldbeutelchen zu heften und dabei geht ihnen etliches von der Nichtfinanz-Politik offenbar durch die Lappen, was sie in besseren Zeiten bestimmt zu stimmgewaltigem Protest herausgelockt hätte. (Man erinnere sich nur der Diskussion um den §218 vor einem Jahr – für etliche Wessis wohl damals DAS Schlüsselproblem der Deutschen Einheit!)

 

So gibt es denn einmalige Chancen, von hinten durch die kalte Küche mit der berühmten Salamitaktik auf bestimmten Terrains Tatsachen zu schaffen.

 

Die Bundeswehr hat auf diesem Wege nun endlich erreicht, was dem Kaiser und der Wehrmacht nicht vergönnt war – sie ist im Irak angekommen, und niemand haut dem Stoltenberg das Grundgesetz um die Ohren. Wer Augen hatte und sehen wollte, konnte in den letzten Monaten hier ein wunderschönes Lehrstück erleben, wie man dem braven Bürger in aller Ruhe die politische Prinzipienkammer ausräumt, während er um das Säckel in der Guten Stube bangt: Erst fuhren die Minensucher ein bißchen „ins östliche Mittelmeer“, um die gar schrecklich klaffende Sicherheitslücke zu schließen, die die zum Golf verlegten US-Boote dort hinterlassen hatten (bekanntlich schmeißen die Russen ja sofort die ganze See mit Minen voll, wenn nicht die soundsovielte US-Flotte tüchtig aufpaßt) – kein Protest. (Der Michel besaß offenbar keinen Atlas und hat deshalb gar nicht wissen können, daß irgendwo kurz vor dem „östlichen Mittelmeer“ Europa zu Ende ist.) Also wurde man auf der Hardthöhe etwas dreister und fuhr anschließend ein bißchen um Arabien herum, denn schließlich wollen Minensucher ja Minen suchen, und im Golf waren gerade welche im Angebot. (Die Sicherheitslücke im Mittelmeer schließen inzwischen wahrscheinlich die türkischen Fischer) Protest? Wieder nix, die Ossis stehen gerade beim Arbeitsamt an (außerdem begreifen die sowieso nicht worum es beim Thema „Bundeswehr und Europa“ eigentlich geht) und im Westen kümmert sich alles um Lohn-, Vermögens-, Mineralöl-, Kapital- und andere Steuern. Und so ist es kein Wunder, daß schließlich deutsche Luftwaffenangehörige im Iran auftauchen. Aber der friedliche Herr Stoltenberg ist natürlich auch ein besorgter Mann und meint, daß sie demnächst zwar auch in den Irak gehen würden, aber selbstverständlich „nur, wenn dort ihre Sicherheit gewährleistet ist“. Und dann schickt er noch ein paar Pioniere, ist ja klar, die haben die nötige Technik. Aber er schickt auch Fallschirmjäger. Wenn man einmal davon ausgehen darf, daß die nicht aus ihren Fallschirmen Zelte für die Kurden nähen sollen, kommen sie also wohl wegen der Sicherheit der Pioniere mit. Und schwuppdiwupp – schon ist die Rede von ein paar tausend Mann. Und die brauchen dann natürlich noch dieses und jenes und diesen und jenen, und für das ganze muß ja auch die Sicherheit gewährleistet sein. Das ist dann nicht mehr so einfach, es gibt da einschlägige amerikanische Erfahrungen, gar nicht weit vom derzeitigen Schauplatz. Wie wäre es also mit einem zusätzlichen Panzerbataillon. Oder zwei. Das ist immer noch das „sicherste“… Jetzt habe ich mich wirklich hinreißen lassen, soweit sind wir ja – noch – nicht. Aber beim nächsten Krieg sind wir dabei, nicht nur mit Geld, hurra! Dann können wir endlich der Freien Welt wieder in die Augen sehen und müssen uns nicht mehr schämen, daß wir am Golf so geizig mit dem bißchen deutschen Blut waren. It’s Saurier-time.

 

So, eine neue Seite fange ich jetzt nicht mehr an. Viele Grüße,

 

24.04.91

 

Ich habe doch noch eine neue Seite angefangen. Eben hat mich nämlich eine Zeitungsmeldung (ich lege sie bei) inspiriert, nochmal einen Blick auf Deinen Brief vom 10.02. zu werfen, und mir fiel ein, daß ich eigentlich vorhatte, auf Deine Bemerkungen zum Thema Löhne und Produktivität unbedingt etwas zu entgegnen, zumal mir dies die Chance gibt, wieder einmal so richtig schön im marxistischen Urschleim zu schwelgen.

 

Als dann:

 

Einen „Zusammenhang“, wie Du schreibst, gibt es zwischen beiden Kategorien zweifellos. Etwas präziser formuliert ist doch aber von Dir (und vielen anderen) wohl statt „Zusammenhang“ eher „Proportionalität“ gemeint, die da „eines der marktwirtschaftlichen Grundgesetze“ bilden soll. Interessanterweise war auch in der DDR schier pausenlos von notwendigen Produktivitätssteigerungen die Rede, die die unbedingte Voraussetzung für ein besseres Leben bilden würden. In bewährter Manier wurde das auch meist in schön faßliche Losungen gequetscht: „Wie wir heute arbeiten werden wir morgen leben“ aus den 50er Jahren[9] unter Honecker dann die Floskel von der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ oder auch die schon mal erwähnte leicht verunglückte Parole „Ich leiste was – ich leiste MIR was“.

 

Ganz sicher gibt es eine gewisse Proportionalität zwischen Produktivität und KONSUM einer Gesellschaft als GANZES, wobei dann aber auch bitteschön solche Teile der gesamtgesellschaftlichen Konsumtion wie z.B. die Rüstung und neue Regierungspaläste oder, um etwas Positives anzuführen, Zuschüsse im Kulturbereich genauso wie staatliche Großprojekte zur Neulandgewinnung u.ä. zu berücksichtigen sind. Insofern war „Wie wir heute arbeiten werden wir morgen leben“ auch gar nicht verkehrt. Nur interessiert den Einzelnen natürlich mehr der eigene Lohn, über den er wirklich selber verfügen kann als sein undefinierbarer Anteil an gesamtgesellschaftlichen Projekten, die ihn ohnehin in ihrer Mehrzahl nicht tangieren. Um die Leute dennoch zur Dankbarkeit anzuhalten, ohne ihre Einkommen erhöhen zu müssen, wurde unter Honecker deshalb die „2. Lohntüte“ erfunden, in der all die Herrlichkeiten gesellschaftlichen Konsums addiert und dann durch die 6 Millionen Familien geteilt wurden. Wenn ich mich recht entsinne, entfielen auf uns nach dieser Rechnung so an die 800 Mark monatlich und obwohl wir als Neubaubewohner, Theaterbesucher, Straßenbahnnutzer, Betriebsessenteilnehmer und Kindergartengänger[10] sicher tatsächlich wohl einen großen Teil dieser 2. Lohntüte auf der Haben-Seite verbuchen konnten, hätten wir doch lieber die Tüte ausgezahlt gehabt, von kinderlosen, altbaubewohnenden Autofahrern gar nicht zu reden.

 

Um nicht noch weiter in die Vergangenheit abzuschweifen: Auch die schönsten Parolen und Tricks mit virtuellen Tüten zum Vermengen des gesellschaftlichen Konsums mit dem individuellen machen jedenfalls die These von der Proportionalität zwischen Produktivität und LÖHNEN nicht glaubwürdiger. Der Marxismus (ausgerechnet!) leugnet sie überhaupt und setzt dagegen die These vom „Wert der Ware Arbeitskraft“ und dem Lohn als Ausdruck dieses Wertes, der seinerseits wiederum von einem ganzen Sack – „gesellschaftlich anerkannter“, d.h. von der Gesellschaft zur konkreten Zeit am konkreten Ort subjektiv zugestandener – Bedürfnisse der Arbeitskraft bzw. dem Preis dieser Bedürfnisse abhängt. Und da hat er Recht der Marxismus, denke ich. Wie anders wäre es zu erklären, daß einerseits die z.B. (west)deutschen Arbeit(nehm)er einer hochproduktiven Branche – und dort wiederum sowohl im modernsten wie im klapprigsten Betrieb – in etwa das gleiche verdienen wie die eines weniger produktiven Bereiches[11] und andererseits ihre Kollegen an den modernsten Anlagen Südkoreas nur ein Viertel[12]

 

Oder, in die andere Richtung geblickt: Warum zahlen nicht wenigstens die deutschen Automobilfirmen soviel wie die in den USA? Ist Ford in Köln weniger produktiv als in Detroit?

 

Aber zurück zu uns: Hier machen die Betriebe reihenweise pleite, trotz der niedrigen Löhne, und sie würden ganz gewiß auch pleite machen, wenn man die Löhne nochmal halbierte. Andererseits gibt es bereits jetzt eine ganze Reihe von Firmen im Osten, die pro Nase mindestens das gleiche Ergebnis, also die gleiche Produktivität, erreichen wie in Baden-Würtemberg. Solche Beispiele finden sich gegenwärtig erstmal natürlich vor allem im Dienstleistungsbereich. (Die meisten) Verkäuferinnen, Bankangestellten, Briefträger, Putzfrauen, Müllfahrer, Kellner, meine Frau und viele andere schaffen jedenfalls das gleiche Pensum wie ihre Kollegen im Westen. Trotzdem findet es alle Welt ganz normal, wenn diese Kräfte mit dem halben Geld nach Hause gehen – und nach dem marxistischen Ausbeutungsmodell ist es auch normal!

 

Der Wert ihrer „Ware Arbeitskraft“ ist eben im Osten viel geringer, auch und gerade wegen des im ersten Teil von mir breit behandelten allgemeinen Jammers, der somit eine hervorragende Rolle bei der Erzielung des berühmten „Extraprofites“ spielt und in diesem Sinne wahrscheinlich gar nicht so ungern gesehen wird.

 

Andererseits ist (nach diesem Modell) auch bei schlimmster Wirtschaftslage nicht damit zu rechnen, daß eine bestimmte Schwelle der Einkommen unterschritten wird, und zwar nicht wegen der Gefahr des Abwanderns – der westliche Arbeitsmarkt ist ja bei allen positiven Trends keinesfalls fähig, von den hier vorhandenen ca 9 Mio Kräften einen wirklich nennenswerten Teil aufzunehmen, der wiederum dazu führen könnte, daß bestimmte Berufsgruppen im Osten tatsächlich so KNAPP werden, daß dies auf deren Löhne durchschlagen könnte – sondern weil die Gesellschaft in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts für einen deutschen Arbeitnehmer eben ein bestimmtes Lebens- und damit Einkommensniveau für notwendig erachtet, selbst wenn er im Osten lebt. Einige Kilometer weiter westlich freilich würden solche Einkommen als „absolut unzumutbar“ abgelehnt werden, während sie einige Kilometer weiter östlich als der totale Wohlstandstraum empfunden würden – und zwar auch wenn alle Beteiligten die gleichen Effekte erzielten, meinetwegen hinter dem Tresen von McDonalds.

 

Damit wird doch aber sehr anschaulich, daß es sich bei dem von der Gesellschaft akzeptierten – und den Unternehmern bezahlten – Wert der Arbeitskraft keinesfalls um irgendwelche objektiven Größen handeln kann, und dieser Wert schon gar nicht von der persönlichen Produktivität abhängt, wenn man sich auch sehr bemüht, durch Akkordlöhne, Gewinnbeteiligungen u.a. diesen Eindruck zu erwecken.

 

In den Ostbundesländern wird im Prinzip der Wert der Arbeitskraft und damit das Lohnniveau deshalb solange geringer (als im Westen – aber immer höher als in Polen) sein, wie die allgemeine Misere hier noch sichtbar ist, d.h. (in einem bestimmten Maß) weit über die zwei, drei Jahre hinaus, die jetzt in den diversen Tarifabkommen als Harmonisierungszeitraum ins Auge gefaßt sind. In dieser oder jener Form werden die Einkommen also noch auf lange Sicht zu drücken sein. (Ich bin selber gespannt WIE die das machen, nicht aber OB.)

 

Das Kapital wird es sich andererseits auch durch die so oder so früher oder später relativ hohen Löhne nicht nehmen lassen, sich hier im Osten gewinnbringend zu realisieren, sofern nur die äußeren Rahmenbedingungen stimmen bzw. geschaffen werden, und dafür wird es schon sorgen, denke ich. (Wenn Kohl dazu zu dusselig ist, nehmen sie eben einen anderen.) U.a. darauf gründet sich mein unendlicher basismarxistischer Optimismus. Vielleicht habe ich es schon mal geschrieben: So viele schöne deutschsprechende Ausbeutungsobjekte mit Zehnklassenschule wie hier finden sich ja sonst nirgends auf der Welt. Also werden sie kommen, die Ausbeuter.

 

So, lieber Klaus, hoffentlich bist Du nach soviel Rotlicht immer noch mein Freund. Ich gönne Dir jetzt erstmal eine verdiente Pause. Am 12.05. fahren wir für 2 Wochen nach Tunesien, in der Hoffnung, uns dort von unseren ersten Schritten in der Marktwirtschaft mal so richtig erholen zu können. In den letzten Wochen haben Paula und ich ziemlich oft an Euch gedacht, und uns vorgenommen, Euch bei passender Gelegenheit einmal heimzusuchen, oder klappt es eher umgekehrt?

 

Wie denkt Ihr darüber?

 

Viele Grüße, auch an Judi und die Kinder

[1] Ehrlich gesagt bin ich es ein wenig leid, mich dauernd für etwas zu schämen, was ich nicht selbst angerichtet habe, wohl aber mit bezahlen mußte. Niemand sieht heute noch einen Franzosen schief an weil seine Vorfahren vor 180 Jahren die halbe Welt unterdrückt und mit Krieg überzogen haben. Die letzten Hitlerwähler von 1933 dürften bis zur Jahrtausendwende ausgestorben sein, dann ist hoffentlich Schluß…

[2] Kannst Du mir sagen, was man im Öffentlichen Dienst wirklich verdienen kann? Mir sind ein paar Tabellen (A-Gruppen, Post) in die Hände gefallen, wo ich glaube, das kann nicht ALLES sein, denn gehört habe ich immer höhere Summen…

[3] typisch Ossi: War weder in USA noch in Indien, aber schwätzt darüber! Sollte aber auch ironisch klingen. Ich weiß nur nicht immer genau wie es ankommt, weil die deutsche Schriftsprache leider noch keine Untertöne kennt.

[4] Was auch immer das sein mag. Bei der Schreibweise bist Du Dir auch ein wenig uneins. Ich habe deshalb die vom Titelblatt übernommen.

[5] Hier kommt der Alt-Ossi wieder hautnah zum Vorschein, der in seiner Eingesperrtheit und mit seiner Zehnklassigen Polytechnischen Schul­weisheit so unendlich weit davon entfernt war, daß ihm nicht nur solche Erlebnisse fehlten, sondern sogar ein Begriff davon, was man in der „Freien Welt“ wirklich erleben konnte (wenn man es denn wollte).

Was auch immer das sein mag. Bei der Schreibweise bist Du Dir auch ein wenig uneins. Ich habe deshalb die vom Titelblatt übernommen.

[6] Falls es nicht so bekannt sein sollte, dies ist eine unserer alten Errungenschaften: In der Regel teilen sich immer zwei „Teil“-nehmer eine Leitung. Solange der eine telefoniert, hat der andere Trauer. Wenn er als Bastler bewandert ist, kann er dafür aber zum Trost mit einem schmerzlosen Eingriff in seinen Apparat solange mithören, was der andere sagt…

[7] Auch so ein Beispiel für „kleine Ungenauigkeiten“ der Pressemeldungen: Den lauthals verkündeten 60%-Wert erhalten bei der IG Metall nämlich nur die alleruntersten Lohngruppen. Meine alten Ingenieur- Kollegen im EAW liegen bei ca 53% der Westtarife. (natürlich sind sie damit z.Zt besser bedient als ich bei der Post, aber ich will nicht meckern und vielleicht legt der Herr Black-penny im Sommer ja auch noch was drauf)

[8] Auch wer sie verschuldet verlor wurde woanders i.a. in Windeseile wieder eingestellt und konnte dort weitersaufen, weiterklauen und weiterfaulenzen.

[9] Böse Zungen machten später – sehr schön doppeldeutig – daraus: „Wie wir heute leben haben wir nie gearbeitet“

[10] Kleine Auswahl unserer subventionierten Errungenschaften

[11] Interessanterweise werden ja beispielsweise nach dem sogenannten Metalltarif (der außerdem – man beachte – REGIONAL, nicht etwa branchenweise, etwas unterschiedlich ausfällt) sowohl die eigentlich relativ wenig produktiven Stahlbauer als auch die superproduktiven hightechgetouchten Computerlöter bezahlt!

[12] Die Zahl wurde vom wenig weltgewandten Autor willkürlich polemisch postuliert, u.a. auch um wenigstens unter das Drittel des Ostens zu rutschen. Vielleicht hätte es aber auch genügt, nach Griechenland oder Portugal zu schauen.

 


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