1935 Jean Francaix (1912-1997) – „Sept Danses“ für 10 Bläser

Es gibt Komponisten der sogenannten ernsten Musik, die noch nicht lange tot sind, deren Musik man aber trotzdem ohne ein philosophisch-musikologisches Handwörterbuch auf dem Schoß hören und spontan genießen kann. Einer dieser Komponisten ist Jean Francaix. Daß seine Musik noch „hörbar“ ist, liegt auch daran, daß er sich weigerte, seinen in der Nachfolge Poulencs und der Gruppe der „Six“ einmal gefundenen „neoklassizistischen“ Stil aufzugeben und die Moden der Avantgarde mitzumachen. Francaix lehnte es konsequent ab, gewisse Grenzen zu überschreiten und historisch Gewachsenes vollständig über Bord zu werfen. Für ihn war etwa ein so altmodisches Konzept wie die Verständlichkeit der musikalischen Sprache verbindlich geblieben. Bei den Musiktheoretikern hat ihm dies wenig Ehre eingebracht. Während mancher Experimentator einen großen publizistischen Wirbel verursachte, gibt es kaum Literatur über Francaix und sein großes Oeuvre. Zeitweilig hat man sogar die Frage gestellt, ob er überhaupt ein ernstzunehmender Musiker sei. Anlaß dazu hat erstaunlicherweise die Tatsache gegeben, daß seine Musik bei aller Komplexität immer leicht und elegant ist und meist einen hintergründigen Humor hat. Verübelt hat man ihm nicht zuletzt, daß er auch die Musik auf die Schippe nahm, die den mehr oder weniger alleinigen Anspruch erhebt, zeitgenössisch zu sein.

 

Sehr im Gegensatz zu der Einstellung, welche ihm die Interpreten des musikalischen Zeitgeistes entgegenbrachten, steht die Beliebtheit seiner Werke bei den Musikliebhabern. Wer das genannte Handwörterbuch beiseite legt, kann sich dem Charme dieser Musik kaum entziehen. Hinzu kommt, daß seine Werke nicht nur hörbar, sondern auch mit vertretbarem Aufwand spielbar sind. Francaixs Kompositionen werden daher auch weit häufiger aufgeführt als die Stücke derer, die als die Speerspitze des musikalischen Fortschrittes in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts gelten. Irgendwann wird man Francaix vermutlich als Beweis dafür heranziehen, daß die Entwicklung der modernen Musik nicht gradlinig in Richtung Grenzüberschreitung verlaufen ist. Anzeichen hierfür sind schon jetzt ersichtlich. Als man sich unter dem Stichwort „Postmoderne“ wieder mit den Grenzen der Grenzverletzung beschäftigt, erfreute sich auch Francaix wachsender Wertschätzung. Dies zeigen vor allem die zahlreichen Kompositionsaufträge, die er den 90-er Jahren erhielt.

 

Die „Sieben Tänze“ stammen aus dem Ballett „Les Malheurs de Sophie“ aus dem Jahre 1935 . Sie spiegeln die „typisch französische“, heiter-melancholische Stimmung dieser Zeit, die sich auch bei Ravel und Poulenc oder in einem Film wie „Die Kinder des Olymp“ findet. Francaix, der seinerzeit die Musik zu mehreren Balletten schrieb, zeigt auch darin, daß seine Stärke nicht zuletzt im Entwerfen tänzerischer Charaktere liegt.

 

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