Unter den Komponisten, die entscheidend dazu beitrugen, daß sich die europäische Kunstmusik in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts radikal veränderte, ist Janacek der älteste. Er wurde nur 13 Jahre nach Dvorak geboren, der als typischer Vertreter des 19. Jahrhunderts gilt. Seine Musik ist aber nicht weniger modern als die eines Prokofieff oder Hindemith, die rund 40 Jahre nach ihm auf die Welt kamen und ganz dem 20. Jahrhundert angehören. Janacek ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sehr die Neuerungen der Moderne schon im 19. Jahrhunderts in der Luft lagen.
Besonders deutlich wird dies, wenn man berücksichtigt, daß Janacek in der künstlerischen Provinz aufwuchs und kaum Kontakt zu Zentren der Avantgarde wie Wien oder Paris hatte. Bis in sein beginnendes Alter wirkte er fast ausschließlich in Brünn, wo er zunächst Musiklehrer und später Leiter einer Orgelschule war. In der Landeshauptstadt Prag galt er lange als ein sonderlicher und etwas ungehobelter mährischer Volksmusikspezialist. Außerhalb der Tschechei war er gänzlich unbekannt. Der Durchbruch kam erst, als man in Prag im Jahre 1916 – nach 13 Jahren des Widerstandes – endlich seine Oper „Jenufa“ aufführte. Diese eindrucksvolle Tragödie im bäuerlichen Milieu machte Janacek, der schon 62 Jahre alt war, in der ganzen Welt bekannt. Der Erfolg beflügelte den alternden Komponisten zu einer ganzen Reihe weiterer musikdramatischer Meisterwerke, die mit ihren gebrochenen Charakteren auch inhaltlich außerordentlich moderne Themen aufgreifen. Darin entwickelte er seine Kurzmotivtechnik, die vom Sprechton abgeleitet ist, zu immer größerer Eindringlichkeit.
Die Suite für Streicher schrieb Janacek im Jahre 1877 im Alter von 23 Jahren. Sie hat noch nicht die charakteristischen Stilmerkmale des späten Meisters. Der Einfluß Dvoraks, den Janacek hoch verehrte, ist nicht zu verkennen. Vielleicht meinte Janacek deswegen später, das Werk sei nicht der Rede wert. Die Suite zeigt aber nicht nur das jugendliche Talent eines großen Komponisten. Gewisse harmonische Kühnheiten und inhaltliche Brechungen künden mitten in der Spätromantik bereits die Moderne an.