Der vollständige Text befindet sich auf der Seite IX Reisetagebuch Malaysia 1985
Es gilt Abschied zu nehmen von Malakka. Fiona, die englische Lehrerin, die wir auf Tioman kennengelernt haben, erwartet uns am Abend in Singapur. Wir holen die Kinder vom Schwimmbad ab, wo es ihnen, wie sie meinen, mindestens so gut ging, wie uns bei den Babachinesen, sammeln das Gepäck im Hotel ein und tragen es durch die stechende Hitze zum Busbahnhof. Da der Bus nach Singapur gerade weggefahren ist, haben wir Zeit, im Busbahnhof zu Mittag zu essen. In seinen Mauern findet sich auf engstem Raum alles, was das asiatische Herz begehrt, Fahrkartenschalter, Garküchen, Läden, und ein Markt, in dem der ganze gewachsene Reichtum des Landes in Körben und Säcken ausgestellt ist – eine Fülle von Obst, Körnern, Hülsenfrüchten.
Wir lassen uns mitten im Gedränge nieder, verspeisen die übliche Nudelsuppe mit Porzellanlöffeln und genehmigen uns geraffeltes Wassereis, ein im wahrsten Sinne des Wortes gemischtes Vergnügen. Das giftgrüne Eis ist mit diversen bunten Gelatinewürfeln, Maiskörnern und Bohnen garniert. Damit investieren wir am letzten Reisetag das gesamte Kapital des Vertrauens in die Hygiene malaysischer Gastwirte, das wir auf der Reise angesammelt haben.
Abfahrt von Malakka und damit vom kulturellen Schlusspunkt einer Reise, die mit so viel Natur begann. Über weite Strecken sind am Straßenrand wieder die romantischen Kampongs. Sie sind so malerisch in Palmenhainen verstreut, dass einem beim Gedanken an die Bäume und Siedlungen in der Heimat, die zur Zeit kahl sind, der Weltschmerz befallen könnte. Hunderte und aberhunderte Mal wiederholt sich die Szenerie. Und doch werden Auge und Gemüt nicht satt von den vorbeifliegenden Bildern tropischen Wohlbefindens. Es ist wie eine Fahrt durch das Paradies. Vielleicht muss man sich das Paradies überhaupt so vorstellen: vorbeifliegend an einem Bus, aus dem man nicht aussteigen kann.
Unterwegs hält der Bus auf einem großen Reisemarkt. Wir kaufen ein Stück der hochgepriesenen Eierfrucht. Sie verbreitet, wie wir alsbald feststellen, einen nicht eben vertrauenserweckenden Geruch. Die Versicherung, dass sich dieser nicht auf den Geschmack auswirke, hält der Wirklichkeit, wie wir meinen, nur unvollkommen stand. Daher brechen wir den Versuch schnell ab. Die kaum angebissene, übrigens nicht billige, Frucht geben wir einem Malayen, der sich über das unerwartete Geschenk freut. Er hat gerade mehrere Taschen voll von dieser (Un-)Kostbarkeit gekauft, wofür er ein Vermögen bezahlt hat. Wir ziehen es vor, bei so banalen Früchten wie Mangos und Ananas zu bleiben.
Weiter südlich häufen sich Gummi- und Palmölplantagen. In endlosen Rhythmen ziehen Palmengewölbe und Kautschukkolonaden an uns vorbei. Nach langer Fahrt tauchen wir – es ist längst dunkel – in das Lichtermeer von Singapur ein. Wir sind wieder in einer anderen Welt. Mehr denn je fällt auf, wie geordnet und durchgestaltet, mit anderen Worten, wie künstlich eine solche Stadtwelt ist. Der Bus fährt durch die endlosen Vororte der Millionenstadt, dann mitten durch das märchenhafte Geglitzer des Zentrums, in dem unter bunt angestrahlten Palmen auf betörende Weise orientalischer Luxus zur Schau gestellt wird. Für die meisten Asiaten ist dies das Paradies.
Die Kinder begrüßen das altmodische Hotel, wo wir unser Gepäck abholen müssen, als sei es ihr Zuhause. Vor zwei Wochen war die Stimmung noch eine andere. Vom blitzblanken Australien kommend war ihnen das altchinesische, leicht schmuddelige Gemäuer in einem der letzten traditionellen Viertel der Stadt noch alles andere als geheuer vorgekommen. Reisen, so zeigt sich erneut, heißt Maßstäbe ändern.
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