Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ ist ein Werk, welches wie kaum ein anderes örtlich verankert und aus einem Guß zu sein scheint. Dennoch hat es eine merkwürdig zerfahrene internationale Entstehungsgeschichte. Wagner arbeite während der langen Jahre, in denen damit befaßt war, nicht nur gleichzeitig an den Opern des „Ring der Nibelungen“. Das deutsch-bodenständige Werk ist auch die Frucht einer Zeit, in welcher der Komponist wie sein „Fliegender Holländer“ unstet durch die Welt irrte und von einer Kalamität in die andere geriet.
Die erste Prosafassung des Textbuches entstand bereits während eines Aufenthalt im böhmischen Marienbad im Jahre 1845. Wagner befaßte sich seinerzeit mit dem Projekt einer „komischen Oper“, weil er nach der mäßigen Resonanz seiner vorangegangenen tragischen Werke nicht zuletzt um des Geldes willen, das bei ihm immer knapp war, einen schnellen Erfolg suchte.
Wegen der vielfältigen anderen Aktivitäten des umtriebigen Sachsen lag das Projekt der komischen Erfolgsoper jedoch zunächst lange Zeit auf Eis. Seinem Naturell folgend hatte sich Wagner doch wieder tragischen Dingen zugewandt. Anfang der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts hatte er aber erneut Anlaß, schnellen Erfolg zu suchen. Inzwischen hatte er die tragische Oper „Tristan und Isolde“ fertiggestellt, ein schwieriges und handlungsarmes Werk, das zunächst keine Bühne spielen wollte. Der „Ring“ war unvollendet, dennoch aber bereits versetzt (an den Ehemann seiner Geliebten). Der Herr desselben war – wieder einmal – verschuldet und seine persönlichen Verhältnisse durch Frauengeschichten zerrüttet. Ohne Zweifel mit dem Gedanken an einen Vorschuß kündigte Wagner daher, noch bevor eine Note geschrieben war, dem Mainzer Schott-Verlag im Oktober 1861 die „Meistersinger“ mit dem Bemerken an, daß deren „schnellste Verbreitung über das Theater“ unter anderem wegen des leicht populären Stiles verbürgt sei.
Kurz darauf verfaßte Wagner in Venedig und Wien erweiterte Textentwürfe zu dem Lustspiel. Die endgültige Ausarbeitung des urdeutschen Stoffes fand schließlich im Winter 1861/62 ausgerechnet in Paris statt. Im April 1862 begann Wagner mit der Niederschrift der Musik. Zu diesem Zwecke quartierte er sich, um – auch finanziell – in möglichst engem Kontakt mit seinem Verlag zu sein, in einer Villa eines Gönners in Biebrich ein, einem Ort am Rhein, der Mainz gegenüber liegt. Bereits im Sommer dieses Jahres zog es ihn aber wieder nach Wien, wo er – vergeblich – auf die Aufführung des „Tristan“ hoffte. Auch in Wien trieb Wagner die Arbeit an den „Meistersingern“ zunächst voran. Dann geriet das Werk wieder ins Stocken, zumal der Komponist ausgedehnte Konzertreisen bis nach Moskau unternahm.
Im Frühjahr 1864 mußte Wagner, der wieder einmal den Genuß der finanziellen Mittel, welche mit dem Erfolg einhergehen, vor das Erringen desselben gezogen hatte, vor seinen Gläubigern aus Wien flüchten. Unterwegs spürte ihn der Kabinettsekretär König Ludwigs II. von Bayern in Stuttgart auf und brachte ihn nach München. Es folgte die turbulente bayrische Episode, in der Wagner schon deswegen nicht daran denken mußte, an der Erfolgsoper weiterzuarbeiten, weil Ludwig II. seine Schulden bezahlte und ihm ein hohes Gehalt aussetzte. Im Übrigen konnte er hier endlich den „Tristan“ zur Aufführung bringen. Erst nach seiner Flucht aus Bayern Anfang 1866 besann sich Wagner wieder auf die Notwendigkeit eines „schnellen“ Erfolges und setzte die Arbeit an den „Meistersingern“ fort. Er konnte sie aber, da ihm letztlich doch Qualität vor Erfolg ging, erst im Oktober 1867 in der Idylle von Tribschen am Luzerner See beenden.
Daß das Werk angesichts dieser Entstehungsbedingungen dennoch das Bild einer vollendeten Einheit bietet, erklärt sich wohl auch dadurch, daß sich Wagner schon früh auf das musikalische Material festlegte. Das Werk ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Kopfgeburt. Entgegen aller Opernpraxis und auch seiner eigenen Gewohnheit komponierte Wagner seinerzeit in Biebrich nämlich als erstes (nur) die Ouvertüre der Oper. Dies wirft ein interessantes Licht auf Wagners Arbeitsweise. Möglich wurde diese Reihenfolge nämlich durch eine Kompositionsmethode, die Wagner von Beethoven übernommen hatte. Danach wird ein Werk konsequent aus einmal gewählten Themen nach den Gesetzen entwickelt, die diesen Motiven innewohnen, ein Verfahren, das Wagner gerade in den „Meistersingern“ thematisiert. Dort fragt Stolzing, dem Hans Sachs die Gesetze des Meisterliedes erklärt: „Wie fang ich nach der Regel an?“, worauf Sachs antwortet: „Ihr stellt sie auf und folgt ihr dann“.
Auch ansonsten waren bei der Meistersinger-Ouvertüre die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Ihre Uraufführung fand im November 1862 im Gewandhaus im Leipzig statt, sechs Jahre bevor das ganze Werk gespielt wurde.
Der Oper selbst war übrigens das Schicksal beschieden, das Wagner erhofft hatte. Die Uraufführung im Juni 1868 in München war sein größter Theatererfolg. Das Werk verbreitete sich, wie vorausgesagt, binnen kurzem über die Bühnen der Welt. Die hochkomplexe Ouvertüre wiederum, ein Wunderwerk Wagner’scher Kontrapunktik und Leitmotivik, hat als das eigenständige Werk, das sie von Anfang an war, zusätzlich auch die Konzertpodien der Welt erobert.
This is very interesting, You’re a very sleikld blogger. I have joined your rss feed and look forward to seeking more of your excellent post. Also, I have shared your website in my social networks!
7chSd3 atnudjizfail